Frühneuzeitliche Militärgeschichte (2010)

Folgender Beitrag ist im Jahre 2010 entstanden und publiziert worden in:

Hitotsubashi Journal of Law and Politics 39 (2011), pp.31-41. Ⓒ Hitotsubashi University
Eine online-Version ist abrufbar unter: http://hdl.handle.net/10086/19011

 

Die frühneuzeitliche Militärgeschichte in den letzten zwanzig Jahren (1990-2010):
Konzepte, Methoden und Arbeitsfelder
[1]

Ralf Pröve

Die frühneuzeitliche Militärgeschichte hat in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren eine dynamische Entwicklung durchgemacht.

Nachdem noch 1979 Ernst Willi Hansen und 1988 Bernhard R. Kroener [2] einhellig das Fehlen einer modernen, sozialgeschichtlich inspirierten Militärgeschichte beklagten, ist heute, mehr als dreißig bzw. zwanzig Jahre danach, ein demonstrativer Wandel eingetreten, ein regelrechter Forschungsboom, der mit seinen Ergebnissen mittelfristig auch das Gesamtbild der Frühen Neuzeit modifizieren wird.

Im Folgenden sollen deshalb erstens Ansätze und Defizite der älteren Militärgeschichte skizziert und zweitens die historiographischen Konzepte und methodologischen Überlegungen der neuen Militärgeschichte erläutert werden.

I.

Ein Grundproblem der Militärgeschichte bestand lange Zeit in einer doppelseitigen Separierung: Einmal wurde das Fach in wissenschaftsorganisatorisch-historiographischer Perspektive isoliert abseits der Universitäten und der hermeneutischen akademischen Zirkel bearbeitet, ein weiteres Mal wurde der Gegenstand in erkenntnistheoretischer Perspektive isoliert wahrgenommen und somit das „Militär“ singulär, ohne Wechselwirkung mit anderen historischen Phänomenen begriffen. Bleiben wir zunächst bei der wissenschaftsorganisatorisch-historiographischen Perspektive.

Diese Ausgangssituation hat ihre zeitliche Verortung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als eine systematische Beschäftigung mit dem Thema in der Regie von Generalität und Militärverwaltung einsetzte. Verbunden damit war die wissenschaftliche militärische Ausbildung der Offiziersanwärter und Generalstabsoffiziere, also die Vermittlung von Kenntnissen vergangener Kriegstheorien, taktisch-operativer Planungen und Durchführungen sowie Strategiedebatten. Mit der Gründung eigener kriegsgeschichtlicher Abteilungen unter Federführung der jeweiligen Generalstäbe innerhalb der deutschen Staaten im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte eine gewisse Professionalisierung von Ausbildung und Forschung ein. Bald dominierend im Reich wurde die 1816 gegründete Kriegsgeschichtliche Abteilung des Großen Generalstabs in Preußen bzw. dann in Preußen-Deutschland. Die thematisch-konzeptionelle Ausrichtung dieser als „Kriegsgeschichte“ verstandenen Disziplin umfasste die Darstellung der Kriege und Feldzüge aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die ausschließlich hinsichtlich Taktik und Strategie unter Auslassung nahezu aller nichtmilitärischen Faktoren erfolgte. Angesichts des Mangels an historischer Einbettung könnte man eher von Kriegskunde sprechen. Die Werke der Abteilung dienten dem Zweck der Ausbildung der Offiziere an den Kriegsschulen und galten als wichtiger Beitrag zur Traditionsbildung und geistigen Rüstung der Männer, die Werke genossen amtlichen Status, die Ergebnisse wurden kanonisiert. Sie entwickelten somit einen ambivalenten Charakter, der zwischen dem eines Mediums taktischer Ausbildung und dem eines Diskussions- und Publikationsforums politischer Auffassungen oszillierte. Es hatte sich die als unumstößlich geltende Überzeugung durchgesetzt, dass nur wer selbst über Kriegserfahrung verfügte, nur wer also Offizier war, die Phänomene Krieg und Militär verstehen und darüber schreiben könne und dürfe. Dieser Anspruch auf Deutungshoheit und die damit einher gehende akademische Separierung durch die schreibenden Offiziere in den Kriegsgeschichtlichen Abteilungen korrespondiert mit der Wahrnehmung der zivilen Historiker an den Universitäten, die ihrerseits wenig Neigung zeigten, ein derart vermintes Forschungsfeld zu beackern. Während des gesamten Kaiserreiches und noch in den 1920er Jahren wurde diese Abschottung trotz einiger Ansätze und Versuche beibehalten [3]. Es war jene unheilvolle Allianz aus uniformierten Kriegshistorikern auf der einen und den dem konservativen Nationalstaatsprinzip verpflichteten etablierten Universitätshistorikern auf der anderen Seite, die an einer Thematisierung und wissenschaftlichen Betrachtung militärgeschichtlicher Themen oder gar der Dekonstruktion militärischer Gewalt kein Interesse hatten. Eine Erörterung militärischer Niederlagen, die historisch-kritische Analyse und damit die Offenlegung strategischer und taktischer Fehlentscheidungen von Herrschern und Generalen, die Thematisierung von Versäumnissen bei Rüstung und Nachschub oder die Analyse der negativen sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen durch Präsenz und Aufbau des militärischen Apparates hätte nicht nur das Ansehen des Militärs im Kaiserreich geschädigt, sondern auch die auf dem Militär fußende politisch-soziale Ordnung in Frage gestellt.

Unter den Nationalsozialisten wurde die Militärgeschichte als „Wehrgeschichte“ in das völkische Deutungsmuster gestellt und für politische Zwecke dienstbar gemacht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand mit dem 1957 gegründeten Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) in Freiburg/Breisgau, jetzt Potsdam, in der Bundesrepublik und dem Aufbau des nach 1990 aufgelösten Potsdamer Militärgeschichtlichen Instituts der DDR (MGI) die im Kaiserreich begonnene Arbeitsteilung einer Militärgeschichte ihre Fortsetzung, in der sich der zivile, universitär angebundene Forscher weder mit dem militärischen Apparat insgesamt noch mit einzelnen Kriegen oder Gewalttaten beschäftigte, und in der militärgeschichtliche Themen wiederum nahezu ausschließlich von Uniformträgern oder von Historikern im Geschäftsbereich militärischer Institutionen erforscht werden.

Möglicherweise hat die Präsenz dieser militärisch organisierten Forschungseinrichtungen den Universitätshistorikern lange Zeit als Feigenblatt gedient, sich in den beiden deutschen Nachkriegsstaaten mit den Themen Krieg, Gewalt und Militär bis in die 1990er Jahre hinein völlig unzureichend zu beschäftigen. Wohl von nachhaltiger Wirkung war zudem, dass die in den 1930er und 1940er Jahren sozialisierte Historikergeneration – sei es, weil etliche Vertreter unmittelbar oder mittelbar mit dem Dritten Reich verstrickt waren, sei es, weil sie vom Krieg und den Verbrechen des NS-Regimes physisch und psychisch gezeichnet waren – von dieser Thematik nach 1945 bewusst Abstand genommen haben. Aufgrund der spezifischen Systembedingungen der Geschichtswissenschaft verfestigte und verstetigte sich dieses Manko infolge des Fehlens von Lehrstühlen mit entsprechender Zuschreibung und den damit einher gehenden Ausbildungsdefiziten der Studierenden. Da es in der alten Bundesrepublik keinen ordentlichen Lehrstuhl für Militärgeschichte gab, unterblieb viele Jahrzehnte eine akademische Aufbereitung des Faches, die für eine intensive Beschäftigung des Themas über Lehre und Ausbildung notwendig gewesen wäre.

Parallel zu dieser Ausgangslage entwickelte sich auch die erkenntnistheoretische Isolation. Das Basisproblem ist die nie erfolgte Trennung des Forschungs- vom Quellenbegriff „Militär“, was dazu geführt hat, dass tagesaktuelle Vorstellungen über das heutige Militär ungefragt auf historische Epochen rückübertragen worden sind. Und während selbst für das zeitgenössische Phänomen „Militär“ nicht wirklich eine schlüssige Definition gelungen ist, so ist das Thema für die Frühe Neuzeit noch nicht einmal ansatzweise begrifflich gefasst worden. Es scheint, als ob die kategoriale Zuordnung als selbsterklärendes Moment ausreichen würde, als ob mehr oder weniger dominante Eigenschaften des Militärs (Waffentechnik, Uniform) eine hermeneutische Diskussion des Phänomens unnötig machten. Diesen fatalen Effekt verstärkt hat natürlich auch der Umstand, dass die Thematik bzw. bestimmte Aspekte davon, außerordentlich populär sind und sich gut vermarkten lassen. Voluminöse Bildbände, Spiel- und Dokumentarfilme oder literarische Bearbeitungen, in denen mehr oder weniger offen das „Militär“ als attraktive Projektionsfläche dient, geben davon ein deutliches Beispiel. So erscheint „Militär“ als abgeschlossene Entität, als funktionierendes Instrument, als widerspruchsfreier Hort der Disziplin; die Mitglieder des Militärs als losgelöst von anderen sozialen und ideellen Kontexten. Es gilt das Motto: ein Soldat ist ein Soldat ist ein Soldat.

Besonders virulent wirkt sich diese offene definitorische Flanke in Verbindung mit lieb gewordenen Erzählungen von „Absolutismus“ und „Staat“ aus. Zwar ist es offensichtlich, dass dem Militär der Frühen Neuzeit eine eminente Bedeutung und katalysatorische Funktion bei den prozesshaften Fundamentalvorgängen Staatsbildung und Vergesellschaftung zugekommen ist. Freilich hatte die engführende Betrachtung des Militärs maßgeblich dazu beigetragen, kategoriale Zuschreibungen wie Staat zu entwickeln und zuzuspitzen oder sogar der Vorstellung vom Absolutismus vermeintliche Indizien zu verschaffen. Die Vordergründigkeit der militärischen Präsenz erschien somit als Beleg für die Zielkategorie „Staat“.

Die Folgen und Konsequenzen dieser lange praktizierten doppelten Isolierung der Militärgeschichte sind erheblich.

Die Folge war jahrzehntelang eine normative Sicht auf das Militär, es wurden Verwaltungsstrukturen untersucht, behördliche Reaktionen und juristische Abläufe beleuchtet und die Funktionalität des Militärs im Krieg beobachtet. Das Militär wurde sozusagen von oben betrachtet, als Faktor der Außenpolitik, als mehr oder weniger geschmeidiges Exekutivinstrument. So existieren zahlreiche Arbeiten, in denen Errichtung und Verwaltung einzelner Armeen nachgezeichnet, Strategie und Kriegführung diskutiert oder Uniform und Ausrüstung der Soldaten detailliert beschrieben werden. Viele Untersuchungen waren diplomatiegeschichtlich orientiert; beleuchtet wurde die Außenpolitik einzelner Staaten oder die gewaltsamen Formen fürstlicher Machtpolitik.

Ebenso wurden in verfassungsgeschichtlich und rechtshistorisch angelegten Arbeiten nur die Rechtsnormen beschrieben, ohne dass deren Reichweite und Folgen in Betracht gezogen wurden. In Veröffentlichungen, in denen die Bedeutung von Rüstung und Krieg auf die Finanzverfassung einzelner Territorien Gegenstand war, wurde lediglich auf die Ebene des Staatshaushaltes gezielt, ohne dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für einzelne Bevölkerungsschichten berücksichtigt wurden. Auch die Faktoren Militärtechnik und Festungswesen wurden bisher fast ausschließlich nach architektonischen oder technikgeschichtlichen Kriterien unter Ausblendung sozialer und politischer Wechselwirkungen erörtert.

II.

Nach dieser langen Phase einer vernachlässigten und oft genug unzureichend betriebenen Militärgeschichte erfreut sich das Fach seit etwa zwanzig Jahren eines stetig steigenden Interesses. Ein durchgreifender Wandel zeichnet sich auf mehreren Ebenen seit 1990 ab. Zunächst setzte die Aufhebung der wissenschaftsorganisatorisch-historiographischen Separierung ein. Erstens wurde eine ganze Reihe wissenschaftlicher Vereinigungen ins Leben gerufen. Noch in den 1980er Jahren fand sich der Arbeitskreis Historische Friedensforschung (www.afk-web.de) zusammen; Mitte der 1990er Jahre wurden dann der auf Alteuropa und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zielende Arbeitskreis Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit (www.amg-fnz.de) sowie der auf das 20. Jahrhundert und das späte 19. Jahrhundert fokussierende Arbeitskreis Militärgeschichte (www.akmilitaergeschichte.de) gegründet. Allein diese drei größeren Vereinigungen kommen zusammen auf deutlich über 1.000 Mitglieder. Hinzu kommen noch etliche kleinere, oft regional oder thematisch stärker fokussierende Zusammenkünfte. Diese Vereinigungen haben mit ihren Tagungen und Workshops, ihren Sammelbänden, Zeitschriften und Schriftenreihen eine Bresche in die Phalanx der etablierten universitären Fachhistoriker geschlagen, die sich bisher geweigert haben, die Relevanz des Themas anzuerkennen. Bereits nach wenigen Jahren, gegen Ende der 1990er Jahre zeigten sich die ersten Reaktionen, als gleich mehrere große Forschungsverbünde in Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Forschungsprogramme zur Erforschung von Krieg und Militär aufstellten. Als Beispiel sei hier nur der Sonderforschungsbereich 437 an der Universität Tübingen (Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit) zu nennen. Mittlerweile gehören militärhistorische Projekte und Qualifikationsarbeiten zum universitären Alltag. In neu gegründeten militärgeschichtlichen Schriftenreihen, wie etwa Krieg in der Geschichte vom Schöningh Verlag oder Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit vom LIT Verlag finden diese Publikationen einen entsprechenden Druckort. Dieser beachtliche und beeindruckende Umschwung ist wohl auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Zum einen hat eine deutlich nach dem Zweiten Weltkrieg geborene Generation, die in den 1970er und 1980er Jahren sozialisiert wurde, eine weniger belastete, freilich nicht unkritische Haltung zu Krieg, Gewalt und Militär entwickeln können. Zweitens hat der weltumspannende, vor allem europäische politische Wandel seit den späten 1980er und frühen 1990er Jahren, vermeintlich verlässliche Wahrheiten zerstört und die Deutschen, die es sich im Niemandsland der Blöcke bequem gemacht hatten, mit Krieg und Gewalt in unmittelbarer Nachbarschaft überzogen. Durch die neue globale Lage wurden überdies der Bundeswehr mit weltweiten Einsätzen ganz neue Aufgaben zugeteilt. Drittens hat die Öffnung des wissenschaftlichen Marktes, der Kampf um Marktanteile und Nischenhoheiten, nun auch einen der letzten großen, bisher brach liegenden Sektoren der Geschichtswissenschaft erfasst, den es nun, nach den Eigenlogiken des Faches, in einer Art Wettlauf zu belegen und die besten Claims abzustecken gilt [4].

Zeitlich parallel zu dieser Entwicklung an den Hochschulen, die mit der Einrichtung eines ordentlichen Lehrstuhls für Militärgeschichte an der Universität Potsdam ihre gleichsam institutionelle Aufwertung gefunden hat, reduzierte das MGFA seine Forschungspotentiale.
Diese neue deutsche Militärgeschichte betritt auf thematischem, theoretischem und methodischem Feld in vielerlei Hinsicht Neuland.

Thematisch konzentriert sich das Interesse stark auf das Sozialsystem Militär einerseits, auf die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft andererseits. Eine ganze Reihe von Studien hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den Lebensbedingungen der Soldaten und ihren Familien, mit den inneren Dienstabläufen und strukturbedingten Handlungsmustern beschäftigt. Ob das Leben im Söldnertross oder der Alltag in der Garnison, ob die soziale Lage der Frauen und Freundinnen der Soldaten [5], untersucht wurden Möglichkeiten und Widrigkeiten des Familienlebens ebenso wie die oft genug unsicheren Lebensbedingungen der Kinder [6]. Andere Studien widmen sich der materiellen Lage der Soldaten und ihrer Familien [7], dem Einquartierungssystem [8], Nebenerwerbstätigkeiten der Männer und Frauen [9] und den Chancen einer Beförderung und Besserstellung [10]. Auch der Dienstalltag der Männer, die Übungen, Manöver, Revuen und Wachdienste [11] sowie die inneren Wirkungsmechanismen eines Regimentes oder einer Kompanie [12], das Überwachen, Disziplinieren und Bestrafen der Männer [13] auf der einen, das komplizierte Gefüge von Loyalität und Patronage zwischen Offizieren, Unteroffizieren und einfachen Soldaten, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Männer untereinander und das Entstehen eines Korpsgeistes der Truppe und damit zusammenhängend die Identifikationsmuster auf der anderen Seite wurden untersucht [14]. Obwohl lange Zeit der Alltag der Soldaten mit Kriegshandlungen gleichgesetzt wurde (fälschlicherweise, gab es doch etwa im 18. Jahrhundert immer wieder lange Friedensphasen), mangelt es doch nach wie vor an Untersuchungen, die Alltag und Lebensrealität der Männer im Krieg, etwa in der Etappe, auf dem Marsch oder in der offenen Kampfsituation, beleuchten [15]. Wichtige Indikatoren bei der Beurteilung der Attraktivität des Soldatendienstes und der Akzeptanz des Berufes durch die Bevölkerung offenbaren Studien zum Problem der Desertion [16] wie auch zur Anwerbungspraxis der Männer, vor allem ihrer oftmals strukturbedingten gewaltsamen Begleitumstände [17].

Die Untersuchung der vielfältigen sozialen, ökonomischen und administrativen Wechselbeziehungen vom Sozialsystem Militär auf der einen, Gesellschaft, Wirtschaft, Staat und Religion [18] auf der anderen Seite, konzentriert sich auf die individuelle, die korporative und die staatliche Ebene. Auf individueller Ebene zwischen Soldat und Bürger oder Bauer wurden die unmittelbaren Kontakte von Militär- und Zivilbevölkerung beleuchtet, die von brutalen Übergriffen und gegenseitiger Abneigungen einerseits, von Kooperation und Kumpanei andererseits gekennzeichnet waren, sowie die Rolle der Soldaten als Agenten der Sozialdisziplinierung erforscht [19]. Auf korporativer Ebene wurden Auswirkungen und Konsequenzen der Anwesenheit militärischer Einheiten in Städten und Dörfern beleuchtet [20] und zum Beispiel die ökonomischen, sozialen und verfassungsrechtlichen Faktoren untersucht. Auf fürstlich-staatlicher Ebene wurden im Zusammenhang mit Aufbau und Unterhaltung Stehender Truppen der Ausbau von Herrschaft und Verwaltung, insbesondere der Steuerverwaltung, erhellt [21]. Dabei spielt auch der Konnex von militärischer Rüstung und merkantilistischer Politik, die Beschaffung der Rohstoffe und die Sicherung der Produktionsstätten sowie die europaweite Vernetzung des Handels mit Militärgütern eine wichtige Rolle [22].

Parallel zur allgemeinen neueren historiographischen Entwicklung der Geschichtswissenschaft, etwa dem Siegeszug der Geschlechtergeschichte, der Mikrogeschichte, der Historischen Anthropologie oder der Kulturgeschichte, wird Militärgeschichte immer stärker auch von diesen Themenfeldern her bearbeitet. Die Wahrnehmung der Soldaten in Krieg und Frieden, die Motivation, in die Schlacht zu ziehen [23], oder etwa auch die Wahrnehmung und Ausübung von Gewalt und die Erfahrung des eigenen Körpers als empfindlichem und zu pflegendem Gegenstand, werden in der Forschung zunehmend beachtet [24]. Auch die wohl größte Distanz zwischen zwei Fächern, jene nämlich zwischen Militär- und Geschlechtergeschichte, wird nun überschritten. Lange Zeit litt die Militärgeschichte an der ‚doppelten Männlichkeit‘: Von Männern betrieben, die wiederum nur Männer als Akteure in ihren Forschungen wahrgenommen haben, blieben sowohl der soziale Ort der Frau und ihre wichtige Funktion innerhalb der Lager- und Garnisonsgesellschaft, aber auch die kulturelle Konstruktion der den beiden Geschlechtern zugeschriebenen Verhaltensweisen und Rollenmustern lange im Dunkeln [25].

Diese modernen Fragestellungen und theoretischen und thematischen Ausweitungen korrespondieren mit der Heranziehung neuer Quellenbestände. So wurden serielle Quellen, zum Beispiel Quartierlisten, Kompanierollen, Steuerregister, Wirtschaftsbücher der Kompaniechefs oder Militäretats, herangezogen und über Datenverarbeitungssysteme ausgewertet [26], die soziale Funktion und militärische Funktionalität der Bekleidung untersucht [27], literarische Quellen, also Gedichte, Lieder und Prosa, vor allem zur zeitgenössischen Charakterisierung des Söldners beleuchtet [28] oder Selbstzeugnisse wie Tagebücher, Briefe oder Memoiren betrachtet, um Wahrnehmungsmuster und die ‚innere Lebenswelt‘ der Männer aufzuschlüsseln [29]. Außerdem wurde Bildmaterial untersucht, um auf die Lebenswirklichkeit zu schließen und vor allem um die Vorstellungen der Gesellschaft von Militär und Krieg zu filtrieren [30]. Das schon früher genutzte Material wie Korrespondenz zwischen verschiedenen Obrigkeiten, Gerichtsprotokolle, Verwaltungsanordnungen, Berichte etc. wird erneut herangezogen und unter anderem Blickwinkel betrachtet. Statt wie zuvor praktiziert einzelne gewalttätige Vorfälle im Sinne einer chronique scandaleuse oder eines crisis approach zu verallgemeinern, werden zwischen den Zeilen die weitaus häufigeren, aber eben deshalb auch nicht von Chronisten festgehaltenen Fälle von Kooperation und friedlicher Koexistenz von Militär- und Zivilbevölkerung herausdestilliert.

In den vielen Studien, die im Vorfeld und während des Jubiläumsjahres zum Westfälischen Frieden publiziert wurden, wird der Faktor Militär ausführlicher als bisher behandelt. So befinden sich in den Katalog- und Sammelbänden oft mehrere Beiträge, die sich intensiv mit dem Sozialsystem Militär auseinandersetzen [31].

Ein erstes Zwischenresümee legt nahe, dass die bisherige, einseitig negative Vorstellung vom Sozialsystem Militär neu überdacht und korrigiert werden muss. Die Lebens- und Dienstbedingungen der einfachen Soldaten entsprechen durchaus nicht dem gängigen Klischee vom gequälten, hungernden und rechtlosen Musketier. Der Militärdienst stellte für viele Männer vielmehr eine Möglichkeit dar, temporäre Subsistenzkrisen zu überbrücken und bot eine überraschende Vielfalt unterschiedlicher materieller und auch ideeller Zuwendungen. Auch das Verhältnis zwischen Zivil- und Militärbevölkerung erscheint in einem anderen Licht. Gegenseitige Antipathien, die Anwendung physischer Gewalt oder gewaltsame Werbungsversuche waren nur ein Aspekt. Soziale Beziehungen zwischen Einwohnern und Soldaten, ökonomische Kooperationen und gemeinsame Freizeitgestaltungen prägten den Alltag wesentlich stärker. Gerade das Einquartierungssystem bewirkte, dass sich die Soldaten in hohem Maße stadtbürgerlichen Lebenswelten aufschlossen und bereits während ihrer Militärzeit den Aufbau einer zivilen Existenz nach der Entlassung vorbereiteten und die Integration in die städtische Gesellschaft anstrebten.

Damit aber erstrecken sich die vielfältigen Ergebnisse der neuen und modernen Militärgeschichte nicht nur auf die militärische Gesellschaft und die unterschiedlichen, aus der Präsenz der Söldnerheere und Stehenden Truppen resultierenden sozioökonomischen und administrativen Auswirkungen im engeren Sinn, sondern führen auch zu einer Neubestimmung der frühneuzeitlichen Fundamentalprozesse. So hatte bereits die internationale Forschung Zweifel an der so lange Zeit unbestrittenen Vorstellung von einer umfassenden sozialen Disziplinierung im Zeitalter des Absolutismus geäußert, die die eindeutige Bestimmung und genaue Gewichtung der Rolle des Militärs im Staatsbildungs- und Sozialdisziplinierungsprozess noch dringlicher macht. Diese Zweifel hatten sich vornehmlich an dem Problem der Reichweite obrigkeitlich-staatlicher Regulierungsbemühungen manifestiert und damit nach der Realität des Staates gefragt. In seiner 1992 publizierten Studie kam Nicolas Henshall zu der These, dass der frühmoderne Staat zur Ausübung seiner Tätigkeit in starkem Maße zu einem Bündnis mit den intermediären Kräften gezwungen gewesen sei, die eine umfassende Umsetzung von Herrschaftsansprüchen fraglich erscheinen lassen [32]. Damit wurde auf dem Sektor der Staatsbildungsdiskussion eine Debatte angestoßen, die sich mit den neueren sozialen und mentalitätsgeschichtlichen Forschungen verband, die ebenfalls eine unmittelbare Wirkung absoluter Herrschaftsansprüche auf der Ebene der einzelnen Untertanen verneinte oder zumindest in Frage stellte und in weit größerem Maß als bisher angenommen das Vorhandensein sozialer Nischen und herrschaftsfreier Räume innerhalb der frühmodernen Gesellschaft unterstrich [33]. Dem Militär und der These von der Militarisierung kommt vor diesem Hintergrund zweifache Bedeutung zu. Einerseits stellt sich die Frage nach den tatsächlichen verfassungsrechtlichen, politischen und sozialen Konsequenzen, die aus der Präsenz landesherrlicher Truppen resultieren. Offensichtlich sind die Auswirkungen des Militärs auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft bisher zu einseitig interpretiert worden. Andererseits scheint fraglicher denn je, ob denn die Vorstellung vom Militär als widerspruchsfreien Hort der Disziplin überhaupt zutrifft. So zeichnet sich immer deutlicher ab, dass selbst im Militär jene Freiräume und sozialen Nischen wie in der zivilen Gesellschaft zu finden sind. Auch die Militarisierungsthese von Otto Büsch muss vor diesem Hintergrund immer stärker bezweifelt werden [34].

Angesichts dieser Möglichkeiten und Perspektiven verwundert es nicht, dass die Militärgeschichte der frühen Neuzeit in Deutschland innerhalb weniger Jahre vom einstigen Schmuddelkind zum akzeptierten Teil der Geschichtswissenschaft avanciert ist.

III.

Wie muss ein erstes Zwischenresümee nach 20 Jahren aussehen? Was bleibt noch zu tun? Nach wie vor fehlt es an einer brauchbaren analytischen Zuschreibung von „Militär“. Nehmen wir die gängige Vorstellung, als Militär bezeichne man die bewaffneten Verbände eines Staates oder eines Bündnisses, die dieser zur Verteidigung gegen einen Angriff von außen aufstelle, dann wird der rein beschreibende Fokus auf die phänomenologische, funktionale Dimension deutlich. Diese Einschränkung ist mit Blick auf die Frühe Neuzeit besonders problematisch, da einerseits die Konfigurationen bewaffneter Verbände stets fluktuierten und andererseits es mangels klarer Abgrenzungen vielfältige Übergänge zu anderen nichtmilitärischen Bereiche gegeben hat. Es sollte das frühneuzeitliche Militär viel intensiver als Teilmilieu begriffen werden, dass sich mit anderen Teilmilieus überlappt und erst in der Summe die Lebensform Frühe Neuzeit ergibt. Denn selbst wenn das frühneuzeitliche Militär als genuine Lebenswelt im Husserlschen Sinne [35] gedeutet werden soll, bleibt die Frage nach deren Abgrenzung. Denn schließlich prallen verschiedene alteuropäische Lebenswelten und Konzepte aufeinander, vermengen sich zu einer neuen Schnittmenge. So ist etwa zu fragen, ob ein adliger Offizier sich primär als Militär oder als Adliger begriffen hat.

Die Zukunft der neuen Militärgeschichte wirkt vielversprechend. Es sollte jedoch weiterhin an der Aufhebung der sektoralen Separierung gearbeitet werden. Zudem sollte bei aller Euphorie darauf geachtet werden, dass die weitere Entwicklung einer regelrechten Subdisziplin Militärgeschichte mit dezidiert umrissenen Lehrstühlen – analog zu anderen Subdisziplinen des Faches –, aber auch analog zur Situation in anderen Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder den USA, auch kritisch zu reflektieren ist, um der Gefahr einer zweiten, diesmal binnenuniversitären Isolierung zu begegnen.

 

[1] Ein erstes Resümee vor zehn Jahren wird zu ziehen versucht in dem Aufsatz von Ralf Pröve, Vom Schmuddelkind zur anerkannten Subdisziplin? Die „neue Militärgeschichte“ der Frühen Neuzeit. Perspektiven, Entwicklungen, Probleme, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 51 (2000), S. 597-612.

[2] Vgl. hier Bernhard R. Kroener, Vom „extraordinari Kriegsvolck“ zum „miles perpetuus“. Zur Rolle der bewaffneten Macht in der europäischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. Ein Forschungs- und Literaturbericht, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 43 (1988), S. 141-188; Ernst Willi Hansen, Zur Problematik einer Sozialgeschichte des deutschen Militärs im 17. und 18. Jahrhundert. Ein Forschungsbericht, in: Zeitschrift für historische Forschung 6 (1979), S. 425-460.

[3] So etwa bei Hans Delbrück (1848-1929), Ludwig Quidde (1858-1941) und Eckart Kehr (1902-1933).

[4] So sind in den letzten Jahren auch eine Reihe von Handbüchern und Überblicksdarstellungen erschienen. Vgl. nur Thomas Kühne, Benjamin Ziemann (Hg.), Was ist Militärgeschichte?, Paderborn 2000; Jutta Nowosadtko, Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte, Tübingen 2002; Edgar Wolfrum, Krieg und Frieden in der Neuzeit. Vom Westfälischen Frieden bis zum Zweiten Weltkrieg, Darmstadt 2003; Ralf Pröve, Militär, Staat und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, München 2006, Rolf-Dieter Müller, Militärgeschichte, Köln 2009 oder Bernhard R. Kroener, Militär, Staat und Gesellschaft im 20. Jahrhundert, München 2010.

[5] Beate Engelen, Soldatenfrauen in Preußen. Eine Strukturanalyse der Garnisonsgesellschaft im späten 17. und 18. Jahrhundert, Münster 2005; oder Jutta Nowosadtko, Soldatenpartnerschaften. Stehendes Heer und weibliche Bevölkerung im 18. Jahrhundert, in: Karen Hagemann, Ralf Pröve (Hg.), Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel, Frankfurt/Main 1998, S. 297-321.

[6] Markus Meumann, Soldatenfamilien und uneheliche Kinder. Ein soziales Problem im Gefolge der stehenden Heere, in: Bernhard R. Kroener, Ralf Pröve (Hg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn 1996, S. 219-236.

[7] Vgl. etwa Peter Burschel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts, Göttingen 1994; oder Thomas Schwark, Lübecks Stadtmilitär im 17. und 18. Jahrhundert. Untersuchungen zur Sozialgeschichte einer reichsstädtischen Berufsgruppe, Lübeck 1990.

[8] Ralf Pröve, Der Soldat in der ‚guten Bürgerstube‘. Das frühneuzeitliche Einquartierungssystem und die sozioökonomischen Folgen, in: Kroener/Pröve (Anm. 6), S. 191-217. Detlef Kotsch, Holländerviertel und Bornstedter Feld. Die soziale Funktion von Bürgerquartier und Kaserne, in: Bernhard R. Kroener (Hg.), Potsdam. Staat, Armee, Residenz in der preußisch-deutschen Militärgeschichte, Frankfurt/Main 1993, S. 309-322. Christina Müller, Karlsruhe im 18. Jahrhundert. Zur Genese und sozialen Schichtung einer residenzstädtischen Bevölkerung, Karlsruhe 1992, bes. S. 379-393. Auf dem Einquartierungssystem aufbauend hat Holger Th. Gräf, Militarisierung der Stadt oder Urbanisierung des Militärs? Ein Beitrag zur Militärgeschichte der frühen Neuzeit aus stadtgeschichtlicher Perspektive, in: Ralf Pröve (Hg.), Klio in Uniform? Probleme und Perspektiven einer modernen Militärgeschichte der frühen Neuzeit, Köln 1997, S. 89-108, die These von der Urbanisierung der Soldaten entwickelt.

[9] Schwark (Anm. 7), bes. S. 288-295; Ralf Pröve: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen und seine Militärbevölkerung 1713-1756, München 1995, bes. S. 252-257.

[10] Pröve (Anm. 9), S. 128-135.

[11] Schwark (Anm. 7), S. 155-201.

[12] Vgl. Jürgen Kloosterhuis (Hg.), Legendäre „lange Kerls“. Quellen zur Regimentskultur der Königsgrenadiere Friedrich Wilhelms I. 1713-1740, Berlin 2003.

[13] Peter Burschel, Zur Sozialgeschichte innermilitärischer Disziplinierung im 16. und 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 42 (1994), S. 965-981.

[14] Zur wichtigen Netzwerkforschung vgl. Carmen Winkel, Im Netz des Königs. Netzwerke und Patronage in der preußischen Armee 1713-1786, Paderborn 2013.

[15] Vgl. hier Bernd Roeck, Der Dreißigjährige Krieg und die Menschen im Reich. Überlegungen zu den Formen psychischer Krisenbewältigung in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Kroener/Pröve (Anm. 6), S. 265-280; Horst Carl, Unter fremder Herrschaft. Invasion und Okkupation im Siebenjährigen Krieg, in: Ebd., S. 331-348. Zum Problem der Kriegsgefangenschaft vgl. etwa Rüdiger Overmans (Hg.), In der Hand des Feindes. Kriegsgefangenschaft von der Antike bis zum 2. Weltkrieg, Köln 1999.

[16] Vgl. etwa Michael Sikora, Disziplin und Desertion. Strukturprobleme militärischer Organisation im 18. Jahrhundert, Berlin 1996. Vgl. auch Ulrich Bröckling, Michael Sikora (Hg.), Armeen und ihre Deserteure. Vernachlässigte Kapitel einer Militärgeschichte der Neuzeit, Göttingen 1998.

[17] Vgl. etwa Bernhard Sicken, Müßiggänger und liederliche Burschen. Beobachtungen zur militärischen Aushebung ländlicher Außenseiter im Hochstift Würzburg Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Paul Leidinger, Dieter Metzler (Hg.), Geschichte und Geschichtsbewußtsein, Münster 1990, S. 269-307; sowie Ralf Pröve, Zum Verhältnis von Militär und Gesellschaft im Spiegel gewaltsamer Rekrutierungen (1648-1789), in: Zeitschrift für historische Forschung 22 (1995), S. 191-223; und – aus schwedischer Perspektive – Michael Busch, Der Bauer als Soldat. Ein gescheitertes Konzept der Heeresaufbringung, in: Pröve (Anm. 8), S. 143-166. Die preußische Werbung im Ausland beleuchtet Rudolf Gugger, Preußische Werbungen in der Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert, Berlin 1997.

[18] Vgl. hier  Benjamin Marschke, Absolutely Pietist. patronage, fictionalism, and state-building in the early eighteenth-century Prussian army chaplaincy, Tübingen 2005; oder Stefan Kroll, Michael Kaiser (Hg), Militär und Religiosität in der Frühen Neuzeit, Münster 2004.

[19] Vgl. etwa Jutta Nowosadtko, Ordnungselement oder Störfaktor? Zur Rolle der stehenden Heere innerhalb der frühneuzeitlichen Gesellschaft, in: Pröve (Anm. 8), S. 5-34; oder auch Markus Meumann, Jörg Rogge (Hg.), Die besetzte res publica. Zum Verhältnis von ziviler Obrigkeit und militärischer Herrschaft in besetzten Gebieten vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert, Berlin 2006.

[20] Vgl. etwa Bernhard Sicken, Münster als Garnisonstadt – Vom städtischen Kriegswesen zum landesherrlichen Militärwesen in der frühen Neuzeit, in: Franz-Josef Jakobi (Hg.), Geschichte der Stadt Münster, Bd. 1, Münster 1993, S. 735-771; Henning Eichberg, Festung, Zentralmacht und Sozialgeometrie. Kriegsingenieurwesen des 17. Jahrhunderts in den Herzogtümern Bremen und Verden, Köln 1989; Bernd Roeck, Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg zwischen Kalenderstreit und Parität, 2 Teile, Göttingen 1989; Stefan Kroll, Stadtgesellschaft und Krieg. Sozialstruktur, Bevölkerung und Wirtschaft in Stralsund und Stade 1700 bis 1715, Göttingen 1997; Stefan Kroll, Soldaten im 18. Jahrhundert zwischen Friedensalltag und Kriegserfahrung. Lebenswelten und Kultur in der kursächsischen Armee 1728-1796, Paderborn 2006; sowie Jörg Rathjen, Soldaten im Dorf. Ländliche Gesellschaft und Kriege in den Herzogtümern Schleswig und Holstein 1625-1720. Eine Fallstudie anhand der Ämter Reinbek und Trittau, Kiel 2004.

[21] Vgl. etwa Udo Gittel, Die Aktivitäten des Niedersächsischen Reichskreises in den Sektoren „Friedenssicherung“ und „Policey“ (1555-1682), Hannover 1996; oder Cordula Kapser, Die bayerische Kriegsorganisation in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges 1635-1648/49, Münster 1997.

[22] Julia Zunckel, Rüstungsgeschäfte im Dreißigjährigen Krieg. Unternehmerkräfte, Militärgüter und Marktstrategien im Handel zwischen Genua, Amsterdam und Hamburg, Berlin 1997; Hubert Salm, Armeefinanzierung im Dreißigjährigen Krieg. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis 1635-1650, Münster 1990; Rainer Zenke, Ultima ratio regum. Feuerwaffen und ihre Produktion im Kurfürstentum Hannover und im Alten Reich, Osnabrück 1997. Vgl. etwa auch Lambert F. Peters, Der Handel Nürnbergs am Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Strukturkomponenten, Unternehmen und Unternehmer. Eine quantitative Analyse, Stuttgart 1994.

[23] Vgl. hier etwa Sven Externbrink, Die Rezeption des „Sacco di Mantova“ im 17. Jahrhundert. Zur Wahrnehmung, Darstellung und Bewertung eines Kriegsereignisses, in: Markus Meumann, Dirk Niefanger (Hg.), Ein Schauplatz herber Angst. Wahrnehmung und Darstellung von Gewalt im 17. Jahrhundert, Göttingen 1997, S. 205-222. Die Bedeutung der Kriegspropaganda untersucht Silvia Mazura, Die preußische und österreichische Kriegspropaganda im Ersten und Zweiten Schlesischen Krieg, Berlin 1996.

[24] Vgl. etwa Martin Dinges, Schmerzerfahrung und Männlichkeit. Der russische Gutsbesitzer und Offizier Andrej Bolotow (1738-1795), in: Medizin in Geschichte und Gesellschaft 15 (1996), S. 55-78; sowie ders., Martin Dinges, Soldatenkörper in der Frühen Neuzeit. Erfahrungen mit einem unzureichend geschützten, formierten und verletzten Körper in Selbstzeugnissen, in: Richard van Dülmen (Hg.), Körper-Geschichten. Studien zur historischen Kulturforschung, Frankfurt/Main 1996, S. 71-98. Vgl. auch Maren Lorenz, Das Rad der Gewalt. Militär und Zivilbevölkerung in Norddeutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg (1650-1700), Köln 2007.

[25] Vgl. hier Hagemann/Pröve (Hrsg.): Landsknechte (Anm. 50); sowie als Forschungsüberblick Karen Hagemann: Militär, Krieg und Geschlechterverhältnisse. Untersuchungen, Überlegungen und Fragen zur Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Pröve (Anm. 8), S. 35-88. Vgl. auch dies., Venus und Mars. Reflexionen zu einer Geschlechtergeschichte von Militär und Krieg, in: Hagemann/Pröve (Anm. 5), S. 13-50. Vgl. auch Regina Schulte, Die verkehrte Welt des Krieges. Studien zu Geschlecht, Religion und Tod, Frankfurt/Main 1998.

[26] Norbert Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt. Göttingen 1648-1756, Hannover 1996, bes. S. 157-209; Pröve (Anm. 9), bes. S. 69-99; sowie Zunckel: Rüstungsgeschäfte (Anm. 22).

[27] Matthias Rogg: „Zerhauen und zerschnitten, nach adelichen Sitten“: Herkunft, Entwicklung und Funktion soldatischer Tracht des 16. Jahrhunderts im Spiegel zeitgenössischer Kunst. In: Kroener/Pröve (Hrsg.): Krieg und Frieden (Anm. 29), S. 109-136.

[28] Burschel: Söldner (Anm. 52).

[29] Vgl. Michael Kaiser, „Excidium Magdeburgense“. Beobachtungen zur Wahrnehmung und Darstellung von Gewalt im Dreißigjährigen Krieg, in: Meumann/Niefanger (Anm. 23), S. 43-64; oder Ralf Pröve, Violentia und potestas. Perzeptionsprobleme von Gewalt in Söldnertagebüchern des 17. Jahrhunderts, in: Ebd., S. 24-42. Vgl. auch das Verzeichnis bei Benigna von Krusenstjern, Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Beschreibendes Verzeichnis, Berlin 1997.

[30] Vgl. etwa Rainer u. Trudl Wohlfeil, Das Landsknecht-Bild als geschichtliche Quelle. Überlegungen zur historischen Bildkunde, in: Manfred Messerschmidt (Hg.), Militärgeschichte. Probleme, Thesen, Wege, Stuttgart 1982, S. 81-99.

[31] Vgl. etwa Klaus Bußmann, Heinz Schilling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa, Ausstellungskatalog, Münster 1998; Heinz Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede. Diplomatie, politische Zäsur, kulturelles Umfeld, Rezeptionsgeschichte, München 1998; oder Benigna von Krusenstjern, Hans Medick (Hg.), Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe, Göttingen 1999.

[32] Nicolas Henshall, The Myth of Absolutism. Change and Continuity in Early Modern European Monarch, London 1992; sowie Ronald G. Asch, Heinz Duchhardt (Hg.), Absolutismus – ein Mythos? Strukturwandel monarchischer Herrschaft in West- und Mitteleuropa (ca. 1550-1700); Köln 1996; vgl. auch John Brewer, The Sinews of Power. War, Money and The English State, 1688-1783, London 1989; sowie Philippe Contamine (Hg.), Guerre et concurrence entre les États européens du XIVe au XVIIIe siècle, Paris 1998.

[33] Mit kritischen Bemerkungen zum Sozialdisziplinierungskonzept vgl. Martin Dinges, Frühneuzeitliche Armenfürsorge als Sozialdisziplinierung? Probleme mit einem Konzept, in: Geschichte und Gesellschaft 17 (1991), S. 5-29; sowie Ralf Pröve, Herrschaftssicherung nach „innen“ und „außen“: Funktionalität und Reichweite obrigkeitlichen Ordnungsstrebens am Beispiel der Festung Göttingen, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 51 (1992), S. 297-315.

[34] Vgl. zum Kantonsystem – dem Kern der Büschschen Militarisierungsthese – Hartmut Harnisch, Preußisches Kantonsystem und ländliche Gesellschaft. Das Beispiel der mittleren Kammerdepartements, in: Kroener/Pröve (Anm. 6), S. 137-165; sowie Jürgen Kloosterhuis, Zwischen Aufruhr und Akzeptanz. Zur Ausformung und Einbettung des Kantonsystems in die Wirtschafts- und Sozialstrukturen des preußischen Westfalen. In: Ebd., S. 167-190. Martin Winter (Untertanengeist durch Militärpflicht? Das preußische Kantonsystem in brandenburgischen Städten im 18. Jahrhundert, Bielefeld 2005), hat nicht nur an die häufig vergessene Tatsache erinnert, dass das Kantonsystem auch ein städtisches Phänomen war. Zugleich macht er deutlich, dass es in den preußischen Städten nicht zuletzt durch die notwendige Inanspruchnahme der örtlichen Verwaltungen erheblich in seiner disziplinierenden und militarisierenden Wirkung gehemmt wurde. Ebenso hat Frank Göse, Zwischen Garnison und Rittergut. Aspekte der Verknüpfung von Adelsforschung und Militärgeschichte am Beispiel Brandenburg-Preußens, in: Pröve (Anm. 8), S. 109-142, die Büsch-These in Frage gestellt.

[35] Edmund Husserl fasst Lebenswelt als die natürliche, soziale und politische Umgebung für eine Gruppe von Menschen auf. Diese beinhaltet deren Wahrnehmung, Interpretation, Bewertung und Darstellung.