Der Kampf um Kundschaft als planwirtschaftliches Dilemma. Praktiken der Personenbeförderung im ausgehenden 18. Jahrhundert

Folgender Beitrag ist publiziert worden in: Felix Engel, Elisabeth Ruffert, Anke Seeger und Ulrike Sträßner (Hg.), Aus der märkischen Streusandbüchse in die Welt hinein. Beiträge zur brandenburgischen, preußischen, sächsischen und internationalen Geschichte. Frank Göse zum 65. Geburtstag, (= Schriften der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg, 14), Berlin 2022, S. 165-185

1. Einstieg

Am 31. Oktober 2020 wurde nach 14 Jahren Bauzeit und einer Planungsphase von annähernd 30 Jahren der neue Hauptstadtairport Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ (eigentlich: der Ausbau des vormaligen Flugfeldes Berlin-Schönefeld) der Nutzung übergeben. Aufgrund fehlerhafter Bauplanung, mangelnder Bauaufsicht, politischer Inkompetenz und umfangreicher technischer Mängel musste der Eröffnungstermin immer wieder verschoben werden, so dass die nationale und internationale Presse nicht mit Hohn und Spott geizte. Da passt es ganz gut in das desolate Gesamtbild, dass auf regionaler Ebene, sozusagen im Windschatten des allgemeinen Getöses, ein anderer, geradezu bizzarer Kampf tobte: der sogenannte Taxistreit. Es ging im Kern darum, den Kuchen des lukrativen Geschäfts mit an- und abreisenden Fluggästen am neuen BER aufzuteilen. Da der Flughafen nicht auf Berliner Stadtgebiet, sondern im Landkreis Dahme-Spreewald liegt, waren somit zwei miteinander konkurrierende kommunale Bereiche involviert.

Doch damit nicht genug. Wie die Presse am 19. Februar 2020 meldete, hätten im Februar Hunderte Berliner TaxifahrerInnen gestreikt, um sich gegen unliebsame Konkurrenten wie Uber zu wehren: „Protesten am Roten Rathaus und am Flughafen Schönefeld folgten Straßenblockaden am Flughafen Tegel, wo zeitweise nur der Fußweg blieb. Mehr als 1.000 TaxifahrerInnen hätten sich am Mittwochmittag in Berlin-Mitte und am Flughafen Schönefeld zu einer Protestaktion versammelt. Hunderte Taxi-Fahrzeuge blockierten dabei die Straßen rund um das Rote Rathaus, sagte der Vorsitzende der Berliner Taxiinnung, Leszek Nadolski. Am Flughafen Schönefeld beteiligten sich etwa 250 TaxifahrerInnen von rund 100 Taxiunternehmen an der mehrstündigen Protestaktion. Auch zu Fuß hätten sich einige TaxifahrerInnen den Protesten angeschlossen. Gegen 13 Uhr war die Demonstration am Roten Rathaus beendet worden. Die Spandauer Straße war während dieser Zeit zwischen Karl-Liebknecht-Straße und Rathausstraße in beiden Richtungen für die Zeit von 11 Uhr bis 14:30 Uhr gesperrt, twitterte die Verkehrsinformationszentrale Berlin“.[1]

Um diese teilweise sehr vehement ausgetragenen Interessenkonflikte zwischen einzelnen kommunalen Taxiverbänden auf der einen und Taxiunternehmern und privaten Personenbeförderern wie etwa Uber oder Minicar auf der anderen Seite zu verstehen, genügt ein Blick in das Personenbeförderungsgesetz.[2] Demnach genießen Taxiunternehmer bestimmte Privilegien: Mit dem Erwerb einer entsprechenden Konzession bei der kommunalen Behörde dürfen eigene Taxistände und spezielle Kennzeichnungen sowie einheitliche Rufnummern über Taxizentralen genutzt werden. Zudem dürfen jederzeit, also auch unterwegs, etwa am Straßenrand, Personen mitgenommen sowie auch die gesonderten Fahrstreifen für Busse genutzt werden. Anderen, sozusagen privatwirtschaftlichen Anbietern von Personenbeförderungsdienstleistungen sind diese Sonderrechte verwehrt. Dafür sind an die Vergabe der recht kostspieligen Konzessionen bestimmte Auflagen geknüpft. Diese beinhalten einerseits die konkrete Ausstattung des Wagens sowie gesonderte Prüfungen für Taxiunternehmer und Taxifahrer (letztere erhalten nach bestandener Prüfung einen speziellen Personenbeförderungsschein), andererseits besteht eine Betriebspflicht sowie ein festgelegtes Beförderungsentgelt.

Vor diesem Hintergrund erhellen sich die tatsächlichen Motive der Kontrahenten in diesem „Taxi-Fight“, geht es doch in diesen durchdigitalisierten und neoliberalen Zeiten im Kern um die ordnungs- und wirtschaftspolitische Neujustierung des Personenbeförderungsgeschäfts zwischen den Polen marktwirtschaftlicher und planwirtschaftlicher Grundsätze.

Was hier so aktuell und dramatisch anmutet, ein von den Medien allzu bereitwillig zugespitzter Elendskampf der alten gegen die neue Ökonomie, ist mitnichten ein Kennzeichen der industriellen bzw. postindustriellen Moderne des 20. oder des 21. Jahrhunderts. Da wir aber gerne als aktuell lebende Generation in unserer Eigenschaft als selbst ernannte RichterInnen früherer Epochen dazu neigen, in überheblicher und delegitimierender Weise frühere Verhältnisse als rückständig abzuurteilen, berauben wir uns damit selbsterkennender Spiegelungen. Ich möchte deshalb im Folgenden zeigen, dass das Dilemma der Personenbeförderung mitnichten ein aktuelles Phänomen darstellt, sondern bereits in der Frühen Neuzeit den Alltag der damaligen AkteurInnen bestimmte.

2. Frühneuzeitliche Organisation von Reise, Verkehr und Transport

Doch zuvor gilt es, sich einen knappen Überblick auf die Ausgestaltungen von Reise, Verkehr und Transport in der Frühen Neuzeit zu verschaffen. Beginnen wir mit einem kurzen Ausflug in die Generierung der entsprechenden Erkenntnishorizonte, denn nach wie vor hat die Forschung keine ausreichende Gesamtbetrachtung der Phänomene vorgelegt. Stattdessen sind viele Einzelaspekte ausführlich und detailverliebt beschrieben worden, teilweise überwog die museale Sichtweise, teilweise wurden kulturgeschichtliche Miniaturen präsentiert. Ein Grund für diese Entwicklung ist die letztlich basale Ausgangsthematik, die es der in vielen Sparten und Nischen wissenssoziologisch unterteilten Geschichtswissenschaft erschwert hat, unterschiedliche Aspekte miteinander zu verknüpfen. Bereits auf den ersten Blick zeichnet sich eine ganze Reihe involvierter Subdisziplinen ab: erstens die Technik- und Verkehrsgeschichte, die zwar mittlerweile deutlich weiter greift als nur Funktionsweisen technischer Systeme zu rekonstruieren, insgesamt sich aber doch immer noch zu wenig modernen kulturhistorischen Fragen öffnet.[3] Die frühneuzeitliche Wirtschaftsgeschichte zweitens hat in der Logik strukturgeschichtlicher Herangehensweisen herrschaftliche Investitionen, Eckpunkte von Produktion, Austausch und Konsum sowie Transportbedingungen und Transportkosten, Handelshemmnisse, Zollbarrieren und Grenzen behandelt.[4] Eine große Rolle spielt drittens die Postgeschichte, die sich mit Realien des Transportes von Briefen, Paketen und Menschen, Uniformen der Postillione, Postkutschen, das Innere von Relaisstationen, Fahrplänen, Dienstanweisungen für das Personal, Verlauf der Postrouten, Preisen, Löhnen und Abfahrts- sowie Laufzeiten beschäftigt hat. Die Postgeschichte ruht dabei vor allem auf zwei Fundamenten, zum einen auf den vielen regionalen, zuweilen lokalen, liebevoll Traditionspflege betreibenden Forschungs- und Präsentationsinitiativen,[5] zum anderen auf dem im Nachgang zum 500jährigen Post-Jubiläum im Jahre 1990 breiter angelegten, wenn auch immer noch spärlichen universitären Interesse.[6] Weitere Ergebnisse liefert die Kulturgeschichte des Reisens viertens, die wiederum sich dem Thema über drei Schwerpunkte nähert: die eigentliche Reiseforschung, die Apodemikforschung sowie die Tourismusforschung. Erstere begreift Reisen als primär kulturgeschichtlichen Akt und wertet vornehmlich Selbstzeugnisse von Gebildeten und Adligen aus,[7] während die Selbstthematisierung des Reisens von der Apodemikforschung[8] untersucht wird. Hinter Apodemiken[9] verbergen sich Anweisungen zum richtigen Beobachten und Verhalten auf Reisen mit historischen, theoretischen und methodologischen Reflektionen über das Unterwegssein.[10] Der letzte Schwerpunkt umfasst die Tourismusforschung, die in den letzten Jahren auch historische Blickwinkel, etwa jenen auf die Entstehung des privaten Pensionswesens, entwickelt hat.[11] Die Kommunikationsgeschichte leistet fünftens ihren Beitrag vor allem, seitdem deren informationstheoretische Überlegungen mit konkreten frühneuzeitlichen Medien verknüpft worden sind.[12] Eng mit der Kommunikationsgeschichte verbunden ist die Öffentlichkeits- und Aufklärungsforschung, die sich vornehmlich mit dem Austausch von Ideen und Gedanken beschäftigt hat.[13] Die letzten beiden Subdisziplinen, die sich zumindest partiell mit den Themen Reise, Verkehr und Transport beschäftigt haben, stellen die Migrationsforschung sowie die Kulturtransferforschung dar.[14]

Führt man nun die einzelnen Ergebnisse der verschiedenen Subdisziplinen zusammen, so lässt sich ein Gesamtbild erkennen, das offenbart, in welch erstaunlichem Ausmaß bereits beim Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit Straßen und Wege in Europa bevölkert waren.[15] Dabei lassen sich nicht nur die unfreiwillig ‚Reisenden’ oder die ‚Reisenden’ ohne Ziel („Abgebrannte“, Wirtschaftsflüchtlinge, Kriegsflüchtlinge, Glaubensflüchtlinge, aus Diensten Geflüchtete, „Fahrendes Volk“),[16] sondern eben auch beruflich Reisende wie Handwerksgesellen, Diplomaten, an regionalen und überregionalen Märkten und Messen Teilnehmende, Hausierer, fliegende Händler, Kaufleute, Söldner mit ihrem Tross oder Boten ebenso erkennen wie Adlige auf Kavalierstour, Wallfahrer, Studierende, Badereisende oder Bildungsreisende und Schlachtenbummler.[17] Lange Zeit wurden mobile Frauen von der Forschung ignoriert; dies ändert sich.[18]

Das bereits im 16. Jahrhundert zur Verfügung stehende Reservoir an Hilfsmitteln und der Aufwand der Reisevorbereitung fielen entsprechend beachtlich aus. So konnte in ganzer Breite auf Reisesegen und Fürbitten, aber eben auch auf Reisehilfsliteratur, Reisedokumente, Finanzhilfen, Versicherungen und Geleitbriefe sowie spezielle Reisekleidung, Reiselektüre und Orientierungshilfen zurückgegriffen werden.[19] Die Organisation von Reise, Verkehr und Transport geriet zunehmend professioneller, breite Bevölkerungsgruppen sorgten für das Angebot entsprechender Dienstleistungen. So gab es Schauerleute und Lagerarbeiter für die Umladung an Flüssen, die Bediener von Verkehrsmitteln (etwa Treidler, Säumer. Fuhrleute, Matrosen, Postillione), die Betreiber der Etappen und Unterkünfte, herrschaftliche Funktionsträger, Orientierungshilfen und endlich Handwerker und Kaufleute für Produktion und Vertrieb von Reiseutensilien. Letztlich sind aber auch die Tagelöhner für Chaussee-, Kanal- und Brückenbau, Geldwechsler, Landkartenstecher und Buchhändler dazu zu zählen. Im Laufe der Frühen Neuzeit entwickelte sich ein europaweit aufeinander abgestimmtes Netz von Fuhrunternehmern, das aus lokalen und regionalen, aber eben auch überregionalen Verbünden bestand. Zu diesem dichten, miteinander kooperierenden Konglomerat europaweit agierender Speditionsanbieter gesellte sich ab 1490 mit der kaiserlichen Belehnung der Familie von Taxis mit der Abwicklung des Postverkehrs eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Nachdem anfangs zunächst lediglich eine dauerhafte Boten-Kette vom Absender zum Empfänger über bestimmte Routen eingerichtet wurde, erfolgte sehr bald eine drastische Ausweitung der Angebotspalette im 16. und frühen 17. Jahrhundert: die Einrichtung fester Postkurse, die Erweiterung des Angebots auch für Privatpersonen, der Transport auch von Gegenständen und Finanztransaktionen und schließlich auch die Personenbeförderung. Allmählich erfolgte der Umbau der Post zu einer institutionalisierten Reichspost mit eigener Gerichtsbarkeit unter der Aufsicht eines Generaloberstenpostmeisters. Dieser Erfolg des kaiserlichen Unternehmens stand jedoch analog zu Macht und Ohnmacht des Kaisers. In dem Maß, wie die Landesherren vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg und im Gefolge des Westfälischen Friedens 1648 an Macht und Einfluss gewannen, gingen sie dazu über, eigene Landesposten, zum Beispiel in Brandenburg-Preußen, aufzubauen.[20] Mit komplizierten bilateralen Verträgen wurde dann jeweils die Übergabe der Postsachen an den Landesgrenzen und deren Weitertransport geregelt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und dann im 18. Jahrhundert wurden diese Landesposten zur Beförderung von Fracht und Personen intensiv ausgebaut und zum Beispiel ganz gezielt und planmäßig Posthäuser, Relaisstationen und Gastherbergen errichtet.

Reise, Verkehr und Transport spielten sich in einem europaweiten, höchst heterogenen Geflecht von Land- und auch Wasserstraßen ab. Dieses dichte und hierarchisch aufgebaute Straßennetz war nach Zustand, Verkehrsaufkommen, Dimension, Eigentum und Besitz differenziert. Benutzt wurden kontinentale Fernstraßen, Heer- und Landstraßen, Dorfstraßen, Nachbarfahrwege, Flurerschließungen und Pfade, deren Entstehungszeiten teilweise vorrömische, römische oder mittelalterliche Wurzeln besaßen.[21] In dem Maße wie der Verkehr stetig anwuchs und sich intensivierte wurden Kanäle gebaut und Kunststraßen geschaffen, die Chausseen. Während jedoch in Frankreich aufgrund der politischen Zentralität sehr früh und in großem Maße gewaltige Bauprojekte (Chausseen, Brücken, Kanäle, etwa der beeindruckende Canal du Midi) realisiert wurden und in Großbritannien über Kapitalgesellschaften Kanalbauten und Turnpike-Roads gebaut wurden,[22] blieb im Alten Reich die Verantwortlichkeit bei den einzelnen Landesherrn.[23] Die Folge waren verspätete und halbherzige Anstrengungen; die ersten Chausseen wurden zum Beispiel in Brandenburg-Preußen erst kurz vor 1800 gebaut – 50 Jahre nach den ersten französischen Kunststraßen.[24]

Parallel zu dem bunten Treiben auf den Straßen gestaltete sich auch die Vielfalt der genutzten Fahrzeuge. Waren die Menschen unterwegs, nutzten sie zum Transport nicht nur die eigene Muskelkraft, sondern griffen auch auf Radfahrzeuge zurück. Üblich waren ein- oder mehrachsige Fahrzeuge, mit starrer oder beweglicher Deichsel. Es wurden Vollholz- oder Speichenräder genutzt, die sich an Leiter- oder Kastenwagen befanden. Für die Personenbeförderung wurden zunächst vornehmlich Kobelwagen (mit halbrunden Rippenbögen) eingesetzt, ehe sich im 17. Jahrhundert die Kutsche als Standardtransportmittel durchsetzte. Vorausgegangen waren technische Neuerungen wie das Federungsprinzip (Fahrkorb auf Federblättern) und eine bessere Schmierung (Achse/Radnabe, Radlager/Buchse).[25]

3. Potsdam und Berlin als Verkehrsknotenpunkte mitten im märkischen Sand

Befanden sich Berlin und Potsdam zu Beginn der Frühen Neuzeit ökonomisch und politisch eher abseits der Hotspots des Alten Reichs, so änderte sich dies ab der Mitte des 17. Jahrhunderts allmählich und ab 1700 sprunghaft. Maßgeblichen Anteil daran hatten die Hohenzollern-Kurfürsten, denen es innerhalb weniger Jahrzehnte gelang, nicht nur bedeutende Gebiete zu inkorporieren und somit das eigene Territorium beträchtlich zu erweitern, sondern überdies mit der Königskrönung von 1701 in Preußen einen entscheidenden diplomatischen und politischen Imagegewinn zu erzielen. Parallel dazu wurden die Glaubensverwerfungen in Europa geschickt genutzt, um unter den in die Hunderttausende gehenden Geflüchteten die ökonomisch erwünschten Personen gezielt anzusiedeln. Zur größten Gruppe zählen die Hugenotten aus Frankreich, etwa 20.000 Menschen folgten dem Angebot des Kurfürsten und verhalfen der provinziellen Wirtschaft mit ihrem Fachwissen zum Aufschwung. Mit der geschickten Kombination einer ambitionierten Peuplierungs-, Steuer- und Rekrutierungspolitik gelang es Brandenburg-Preußen trotz beschränkter Mittel in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zu einer bedeutenden Militärmacht im Reich und damit zu einem europaweit agierenden Faktor aufzusteigen. Potsdam und Berlin profitierten von dieser Entwicklung in besonderer Weise, zumal in beiden Orten Residenzen eingerichtet wurden. Zählte Berlin um 1648 ganze 6.000 EinwohnerInnen, so stieg deren Zahl auf 57.000 im Jahre 1709, um in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Grenze von 100.000 EinwohnerInnen zu überschreiten. Im Jahre 1800 wohnten mehr als 170.000 Menschen in der Stadt an der Spree.[26] Auch Potsdams Bevölkerung wuchs rasant: zwischen 1713 und 1820 von 1.500 auf 20.000 BewohnerInnen.

Dieses neue militärische, politisch-diplomatische, ökonomische und bald auch kulturelle Zentrum bewirkte eine große Sogkraft auf Menschen, Waren und Güter. Einen Eindruck davon verschafft eine Zählung von Wagen, die durch eines der Stadttore nach Berlin hinein gefahren sind:

JahrKutschenExtrapostenFrachtwagenFrachtkarrenBauernwagen
17511.0189941.5221.649121.312
17521.3541.5072.2571.519126.302
17531.3081.3832.1071.539119.370
Summe3.6803.9445.8864.707366.984
Pro Tag3,43,65,44,3335,1

Quelle: Pro Memoria 1754, f. 1-6. GStA PK, II. HA, Rep. 14 Kurmark. CCVII Brücken und Wege. Generalia Nr. 1.

Vergegenwärtigt man sich, dass diese Zahlen noch aus der Zeit vor dem großen Boom stammen und dass trotzdem täglich durchschnittlich 350 Wagen die Tore passierten, erhält man eine gute Vorstellung von dem beachtlichen Verkehrsaufkommen. So wurde zum Beispiel die Journaliere, eine täglich fahrende Schnellpostkutsche zwischen Berlin und Potsdam, die auf ihrem Weg die Glienicker Brücke benutzen durfte, erst ein Jahr später, 1754, eingeführt. Einer im Jahre 1768 erstellten Übersicht ist zu entnehmen, dass sich in der Spreestadt 52 Fuhrunternehmen befanden, die Transporte von und nach Berlin anboten, während 200 weitere Spediteure nur „selten“ von Berlin aus wegführen und stattdessen innerhalb der Stadt den Verkehr übernehmen würden. In Potsdam wiederum stellten 24 Fuhrunternehmer ihre Dienste dem „Publikum“ zur Verfügung.[27]

4. Die Post- und Fuhrordnungen von 1766

Diesem enormen Zuwachs an Verkehr und Transport in Brandenburg-Preußen allgemein und insbesondere zwischen Potsdam und Berlin im Besonderen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde mit einer ganzen Reihe von Verordnungen Rechnung getragen. Im Jahre 1766 sollte mit gleich drei Reglements sowohl das Postwesen als auch der Fuhrverkehr an die neuen Bedürfnisse angepasst werden. Die „Königliche Preußische allgemeine Verordnung das Postwesen betreffend“ vom 11. April 1766[28] definierte das Dienstleistungsangebot der Landespost und klärte Fragen der Befrachtung, regelte den inneren Betrieb und legte die einzelnen Tarife fest.

Das Dienstleistungsangebot umfasste bei der fahrenden Post den Transport von Personen und gegebenenfalls deren Gepäck sowie aufgegebene Briefe, „Paquete und Gelder“, während die reitende Post meist in Manteltaschen oder Rucksäcken („Felleisen“) Briefe, Geld und kleinere Päckchen beförderte.[29] Darüber hinaus wurde in Berlin und Potsdam ein Netzwerk von Briefträgern aufgebaut, die sozusagen die letzte Entfernung bis zur Haustür besorgten. Mit „ordinari Post“ wurden plan- und kursmäßige Fuhren bezeichnet, andere, je nach Bedarf zusätzlich bestellte Wagen „Extra-Post-Fuhren“ genannt – ähnlich wie im heutigen Luftverkehr mit seinem Nebeneinander von Linien- und Charterflügen.

Die Befrachtung war detailliert festgelegt: feine und edle Tücher waren „in wohlverwahrten Verschlägen mit Wachstuch oder guter Packleinwand überzogen“, „gröbere Kaufmanns-Waaren aber sollen mit guter Emballage [= Verpackung] gepacket und mit Stricken umschnüret werden“. Selbst frisches Fleisch, Lebensmittel „oder andere der Fäulniß unterworfene Sachen“ durften bei der Post aufgegeben werden. Eine große Rolle spielten neben Büchern und Zeitschriften offenbar auch Silber- oder Goldmünzen, Edelsteine oder andere wertvolle Gegenstände, die eigens zu verpacken bzw. in versiegelten Briefen aufzugeben waren. Schießpulver war jedoch bei Androhung hoher Strafe vom Transport gänzlich ausgenommen.

Noch eine Bemerkung zu den Zeitungen und Zeitschriften: Da die Post bei der Distribution von Presseerzeugnissen eine entscheidende logistische Funktion besaß, hatte die Regierung folglich ein ideales Mittel in der Hand, um gezielt bestimmte Printmedien zu unterstützen oder diese aber auch in ihrem Herrschaftsbereich zu verbieten. Gerade in Krisen- oder Kriegszeiten, wenn die Verbreitung von „Fake-News“ des vermeintlichen Kontrahenten unter der eigenen Bevölkerung mit allen Mitteln zu unterbinden war, wurde von diesen Möglichkeiten rigoros Gebrauch gemacht. So befahl das Generalpostamt 1756 mit Beginn des Siebenjährigen Krieges das „Wiener Diarium“ nicht mehr zu befördern, da dieses „mit den gröbsten Unwahrheiten und Lügen angefüllet“ sei; zudem sei dort der preußische Einmarsch in Sachsen „mit den heßlichsten Farben“ geschildert worden, um Brandenburg-Preußen „Excesse anzudichten“.[30]

Fahrende und reitende Posten waren gehalten, bestimmte Straßen und Wege zu benutzen, die sogenannten „Post-Routen“ oder „Post-Course“. Nach und nach wurden über ein immer dichter werdendes Netzwerk mit diesen Routen zunächst die großen Städte, dann die kleineren Städte und größeren Dörfer (ähnlich wie hundert Jahre später die Eisenbahn und zweihundert Jahre später die Autobahn) angeschlossen, die sich in „Haupt-Routen“ bzw. „kleine und Neben-Routen“ gliederten.[31] Diese Poststraßen waren zumeist halbwegs gut ausgebaut, besaßen vor allem eine ausreichende Breite, damit sich zwei Kutschen unterwegs begegnen konnten, Chausseen waren sie jedoch (noch) nicht. Hinzu kamen vielerorts praktische Infrastrukturmerkmale wie Meilensteine oder Wegweiser und natürlich in bestimmten Abständen Posthalterhäuser und Umsteigeknotenpunkte. Die Benutzung dieser Poststraßen stand unter Bann (also dem „Postregal“); bei Nutzung dieser Wege musste ein privater Fuhrunternehmer eine entsprechende Gebühr beim nächsten Postamt entrichten; die Quittung wurde als „Postzettel“ bezeichnet und war bei regelmäßigen Kontrollen auf den Poststraßen jederzeit vorzuzeigen.

Der hochkomplexe und ehrgeizige Ausbau der Landespost erforderte einen erheblichen logistischen Aufwand. Einerseits musste eine immer größer werdende Kundschaft zufrieden gestellt und damit die Angebotspalette stetig ausgeweitet werden; andererseits galt es die technischen Abläufe zu gewährleisten und weiter zu optimieren: Unfälle mussten vermieden, ausreichend funktionstüchtige Wagen und taugliche Pferde bereitgestellt, der Personenverkehr geregelt und eine einheitliche Preisgestaltung inklusive eines Quittungs- und Belegsystems mit Frachtzetteln geschaffen werden. Die Fahrpläne waren aufeinander abzustimmen, die Pakete und Briefe ordentlich zu verpacken und mit Adressen zu versehen. Schließlich benötigte es brauchbares Personal, sehr viel Personal. Das Ganze lief letztlich auf die Schaffung einer eigenständigen Berufsgruppe hinaus; eine Berufsgruppe, die in einem längeren Prozess einer grundlegenden Professionalisierung unterzogen wurde. Diese Professionalisierung umfasste Ausbildung und Prüfung, einen detaillierten Dienstablauf, Uniformierung und Hierarchisierung, Dienstpläne, lebenslange Tätigkeit mit Pensionsanspruch, einen Kontrakt und Diensteid sowie einen gepflegten Umgangston, ein Minimum an gepflegtem Lebensstil (etwa keinen Alkohol im Dienst), Pünktlichkeit und Gehorsamkeit. Auch der freundliche Umgang mit den Kunden gehörte dazu – sicherlich ein schwieriges Unterfangen, den schwerfälligen und wortkargen Märkern jener Zeit ein wenig Offenheit und Empathie beizubringen. So wurde beispielsweise von den Postbehörden bitter beklagt, dass es „Gewohnheit geworden, daß so wohl die Leuthe welche etwas auff die Posten zur Bestellung geben, oder sich vornach erkundigen, von denen Postschreibern, sonderlich in großen Städten, wo sie viel Anlauf haben, unfreundlich angefahren, und ihnen entweder gar keinen Bescheid, oder doch wenigstens zuweilen nach langen Warthen mit unhöflichen Worten gegeben werden“.[32] An anderer Stelle wurde von den Reisenden beklagt, dass man in verschiedenen Poststationen „gar übel tractiret [= behandelt] und weder eine warme Stube noch etwas zu Essen bekäme, sondern öffters mit schnöden und losen Worten abgewiesen worden“ sei.[33] Auch wenn dieser Professionalisierungstrend in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erst in Ansätzen erkennbar war, so lassen sich bereits zu dieser Zeit die markanten Indikatoren einer solchen Entwicklung erkennen (Formierung von Behörden und Ämtern, eng getaktetes Netz von Verordnungen und Vorschriften). Zunächst aber wurde mit einem Konglomerat fest angestellter Bediensteter auf der einen und auf eigene Rechnung, sozusagen in Lizenz verdingter Mitarbeiter auf der anderen Seite gearbeitet. So waren die Postmeister direkt angestellt und regelten den inneren Dienstablauf. Demgegenüber arbeiteten die Posthalter, also die Vorstände in den Poststationen, ähnlich wie heute in einem Franchise-System, als Lizenznehmer der Landespost. Zumeist waren diese Posthalter im Hauptberuf Gastwirt oder besaßen einen größeren landwirtschaftlichen Betrieb.[34] Ihnen oblag erstens die Bereitstellung von Wagen und Pferden sowie zweitens die kurzzeitige Unterbringung und Verpflegung der umsteigenden und wartenden Reisenden in bald überall eingerichteten Passagierstuben.[35] Somit war der Posthalter auch direkter Arbeitgeber für Knechte und Mägde, Wagen- und Schirrmeister sowie für die Postreiter und Postillione. Seine Postillione musste der Posthalter mit Dienstkleidung, Schärpen, Brustschildern und Posthörnern versehen. Nicht für alle Mitarbeitenden musste er deren Lohn selbst entrichten, teilweise wurden etwa die Postillione direkt oder mittelbar vom Generalpostmeister bezahlt oder der Posthalter erhielt anteilig Bezüge für deren Gehälter. Für diese Aufwendungen und Dienstleistungen standen dem Posthalter die Einnahmen aus dem laufenden Postbetrieb zu: in der Regel für die Nutzung der Pferde pro Tier und Meile fünf Groschen, für die Arbeitsleistung des Postillions drei Groschen pro Meile. Der (Vermietungs- und Abnutzungs-)Einsatz war dabei begrenzt und vom jeweiligen Gewicht der Zuladung abhängig;[36] so sollte vermieden werden, dass der Posthalter zu viele Pferde vorspannte und weitere Einnahmen zum Schaden der Post generierte. Über alle Einnahmen und Ausgaben der Posthalterei musste penibel Buch geführt und monatlich mit dem Postmeister abgerechnet werden.

Hinzu kamen für den Posthalter beträchtliche attraktive steuerliche Vergünstigungen und „Freyheiten“: So war er von militärischen Einquartierungsleistungen ebenso befreit wie von den ungeliebten Vorspann-Fuhren (also der Gestellung von Transportleistungen für den Gutsbesitzer bzw. den Grundherrn, letztlich also mittelbar in der Logik des Feudalsystems für den Landesherrn), auch musste er sich nicht an den Bürgerwachen oder den Deserteursverfolgungsmaßnahmen beteiligen.

Ein grundsätzliches Problem stellten Haltung und Pflege der Pferde dar. Die Erzeuger von in buchstäblichem Sinne universellen Pferdestärken (PS) stellten hohe Ansprüche. So musste je nach Jahreszeit mal mehr Raufutter, mal mehr Hafer gereicht werden, überdies in stetem Nachschub frisches Wasser. Hinzu kam ausreichend Schutz vor Kälte, Nässe, starker Sonneneinstrahlung und Wind sowie die stetige Kontrolle der Hufe mit der angepassten Eisenbeschlagung. Der Grundfutterbedarf wird bei einem Warmblutpferd mittlerer Größe mit sechs Kilogramm Heu pro Tag gedeckt. Pro Stunde Arbeit wird ein Zusatz von ca. einem Kilogramm Kraftfutter bis maximal fünf Kilogramm pro Tag (meist in Form von Hafer) empfohlen.[37] Zudem ist Pferd nicht gleich Pferd. Zwar hatten die Landesherren längst damit begonnen, Landgestüte einzurichten, um auf diese Weise die Pferdezucht gezielt zu professionalisieren (immerhin hatten Pferde vor allem auch militärische Bedeutung[38]), doch blieb vieles noch dem Zufall überlassen. Während Vollblüter und die etwas ruhigeren Warmblüter Reittiere sind und auch als Zugtiere vor leichten Kutschen verwendet werden, sind die eher massigen Kaltblüter von langsamerer Gangart und fast ausschließlich Zug- und Arbeitstiere. Letztere wurden zum Ziehen von schweren Fuhrwerken, zum Bestellen von Äckern (Ackergaul), zum Schleppen von gefällten Bäumen (Rückepferd), zum Treideln von Schiffen (Kanalpferd) und ähnlichen Kraftarbeiten eingesetzt. Letztlich aber benötigt jedes Pferd im Hinblick auf Alter, Leistungsfähigkeit, Vorerfahrung, Charakter und Gesundheitszustand seine ganz eigene Behandlung und (auch emotionale) Zuwendung.[39]

Aufgrund dieser speziellen Problematik stellte die quantitativ ausreichende und qualitativ genügende Bereitstellung von Pferden eine Dauerbaustelle dar. Diese Schwierigkeiten nahmen bei schlechten klimatischen Verhältnissen (Regen, Schnee, Kälte) exorbitant zu, wenn die ohnehin unzureichende Straßenqualität weiter litt und von „der üblen Beschaffenheit der Wege“ gesprochen wurde. Bei tiefen morastigen Böden nahm der benötigte Kraftaufwand für strapazierte Pferdemuskeln und -hufe exponentiell zu.

Diese dauerhaften Probleme kulminierten vor allem, wenn Extraposten, also gecharterte Kutschentransporte zu organisieren waren. Zeitlich parallel zur Postordnung am 11. April 1766 wurde deshalb am gleichen Tag das „Neuverbesserte Edict, das Extra-Fuhrwesen betreffend“ erlassen.[40]

Die Frequenz dieser Extraposten hatte aufgrund des gestiegenen Reise- und Transportbedarfs von vornehmlich wohlhabenden Kaufleuten, Herrschaftsträgern[41] und Adligen stetig zugenommen – vermutlich auch deshalb, weil diese Personen mit „Stand und Würden“ ungern mit den oft übervollen Linienkutschen fahren wollten. Sicherlich saßen in diesen Gefährten auch keine Handwerksgesellen oder Tagelöhner, jedoch ist durchaus anzunehmen, dass der direkte Kontakt mit dem „gemeinen Volk“ als nicht sehr verlockend und standesgemäß empfunden wurde. Um der feinen Kundschaft entgegen zu kommen, sollte bewusst von den starren Regelungen des Linienbetriebs Abstand genommen und mehr Flexibilität zugebilligt werden. Eigens wurden zusätzliche Transportmöglichkeiten für Bedienstete („Domestiquen“) geschaffen oder prestigeträchtige, elegante und schnelle zweirädrige Fuhrwerke („leichtere Post-Chaisen, Phäerons, Cabriolets“) mit speziellen Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurde angeboten, besonders für „Reisende aus der Residenz-Stadt Berlin“, sich direkt an der eigenen Wohnung mit „Post-Pferden“ abholen zu lassen; die Wartezeit von einer Stunde sei im Service eingeschlossen, für jede weitere halbe Stunde freilich sei für die Nutzung dieser exklusiven Dienstleistung als „Königliche Post (poste royale)“ der Betrag für eine halbe Meile zu entrichten.[42] Es versteht sich, dass für diese exklusiven, standesgemäßen Angebote ein deutlich höheres Meilengeld für Pferde und Wagen zu entrichten war.

Wie bereits weiter oben angedeutet, gab es lange vor der Einführung der Reichspost oder der einzelnen Landesposten ein dichtes Netz an privaten Spediteuren. Dabei war die Bandbreite der Dienstleister breit gefächert: von hauptberuflichen, überregional agierenden Transporteuren bis hin zu Gelegenheitsfuhrleuten, die im lokalen Rahmen ihre Dienste zusätzlich als Nebentätigkeit anboten. So verwundert es nicht, dass noch im gleichen Jahr 1766 zusammen mit der Anpassung der Postverhältnisse auch die Landkutscher und Fuhrleute mit einer Verordnung bedacht wurden. So heißt es in der an allen Poststationen und Stadttoren angeschlagenen „Neuen Königlichen Verordnung und Reglement, wornach sich die Land-Kutscher sowohl als Fuhr-Leute zu achten haben“ vom 10. August 1766, dass es „zu Beförderung des Commercii“ und zu „schleuniger Fortbringung der Reisenden“ auch eine „immer mehr anwachsende Anzahl der Kutscher und Fuhrleute“ geben würde.[43] Neben dieser grundsätzlichen Anerkennung der privaten Unternehmungen lag das Augenmerk in dieser Verordnung vor allem auf der Sicherung der Privilegien der Landespost und folglich den Beschränkungen der privaten Konkurrenz. Die Verbote zum Schutz des landesherrlichen Monopolisten bezogen sich dabei auf unterschiedliche Praktiken. So musste jeder „Fuhrmann“ oder „Fiacre“- bzw. „Pferde-Vermiether“ für jede „verdungene Fuhre“ einen Postzettel beim nächstgelegenen Postamt lösen. Dies galt allerdings nur, wenn der Wagen keine Postroute benutzte. Höhere Auflagen waren dementsprechend bei Benutzung des Postkurses, also einer Strecke, die gewöhnlich vom Postverkehr benutzt wurde, vorgesehen. Doch auch dann war eine Fahrt nur erlaubt, wenn entweder die Linienpost bereits besetzt war und keine andere Möglichkeit des Transports bestand oder die Postkutsche schon unterwegs war bzw. an dem Tag gar keine Linienkutsche fuhr. Kam in diesen Fällen also ein privater Miettransport zustande, waren zwei Postzettel zu lösen, „wovon er den einen an dem Thore, wo er zuerst auspaßiret, dem Thorschreiber abgiebet, den anderen aber auf seiner Reise behält, um sich damit bey den Post-Ämtern, auch Accisen und Zöllen zu legitimiren“. Auf diesen Zetteln mussten die Anzahl der beförderten Personen, das Reiseziel, die Entfernung in Meilen sowie die Dauer der Fahrt (in Tagen) notiert werden. Somit dienten diese Belege nicht nur als Quittung für die Erlegung der Gebühren, sondern überhaupt als „Paß“ und „Erlaubniß“. Pro Person und Meile waren zwei Groschen Postabgabe zu bezahlen.[44] Allerdings wurde diese Marge auf drei Meilen pro Tag und Fuhrunternehmer begrenzt.

Jedes Postamt war gehalten, über die Ausgabe von Post- bzw. Fuhrzetteln, also eben auch über die Einnahme der Gelder und die Namen der Fuhrleute, genau Buch zu führen. Weitere Auflagen betrafen die Reduzierung des Dienstangebots. So durften weder Geld transportiert noch Briefe und Pakete unter 40 Pfund befördert werden; überdies mussten für große Pakete und Warenballen zusätzlich „offene Fracht-Briefe“ besorgt werden.

Großzügig wurde indes zugestanden, bei „Spatzierfahrten, die nicht über eine Meile von der Stadt“ stattfinden oder bei „Markt-Fuhren der kleinen Kaufleute, Krämer und Handwerker, so zugleich ihre Waaren und noch einen Gesellen oder Jungen bey sich führen“ auf eine Zusatzgebühr zu verzichten; in diesem Fall sollte der Postzettel demnach gratis erteilt (und damit die Transportleistung gleichwohl obrigkeitlich registriert) werden.

Da jede Ähnlichkeit mit den Insignien der Post – wir würden heute sagen, dem Branding der Marke – vermieden werden sollte, wurde es verboten, „sich der Livrey Unserer Postillions zu bedienen und Scherffe und Horn zu führen“. Großen Wert wurde darauf gelegt, dass sich die einzelnen Privatunternehmer nicht miteinander vernetzen oder Subunternehmen ausbilden und auf diese Weise zu einer echten Konkurrenz werden konnten: „Wie dann auch sich Niemand unterstehen soll, Neben-Posten anzulegen, Briefe oder Paquete für die Fuhrleute so wenig zu colitairen [= zusammentragen] als zu distribuiren [= verteilen]“, oder „mehrere Paquete unter einer emballage abzuschicken, und selbige an verschiedene Particuliers hernach bestellen zu lassen“, oder etwa „unterwegens frische Pferde zu nehmen oder die Fuhren zum weitern Fortschaffen an andere Fuhrleute zu überbringen“.[45] In die gleiche Kerbe schlägt das Verbot, bei Rundfahrten bzw. Retouren die Pferde zu wechseln.

Die angedrohte Sanktion bei Zuwiderhandlungen besaß drastische Ausmaße. Nicht nur wurden exorbitant hohe Geldstrafen angeführt (Fahren ohne Postzettel 50 Reichstaler beim ersten, 100 Reichstaler beim zweiten, 100 Reichstaler und Konfiskation von Wagen und Pferden beim dritten Mal; Fahren auf Nebenwegen 50 Reichstaler), sondern auch drei Monate Gefängnis (falls der Fahrer eine Livree trägt). Mit dem so frühneuzeitlich-typischen Netzwerk von Informanten, Zuträgern und Denunzianten versuchte die Regierung, jeden Bediensteten, aber auch jeden Untertanen als Hilfsbüttel heranzuziehen. So wurden alle Postvisitatoren, Postlandreiter, Akzise- und Zollbedienstete, Torschreiber sowie die Ortsobrigkeiten aufgefordert, jedes Fehlverhalten zur Anzeige zu bringen. Von den Strafgeldern behielt „der Denunciant den vierten Theil“, dreiviertel der Summe gingen an die Generalpostkasse.

5. Der ‚Taxistreit’ des 18. Jahrhunderts

Die Verordnungen und neujustierten Regelungen des Post- und Fuhrunternehmerwesens brachten die Branche in einen erheblichen Aufruhr. So beschwerten sich umgehend die Berliner und Potsdamer Fuhrleute bei der Kurmärkischen Kammer, dass die Beschränkungen ihrer Dienstleistungsangebote, aber auch die Kosten für die Erlegung der Postzettel sie alle an den Bettelstab bringen würden. Gerade die Mehrkosten infolge der zu lösenden Postzettel erlaube es nicht, einen marktgerechten Preis zu erzielen und sich so gegen den Monopolisten durchzusetzen oder zumindest zu bestehen. Da diese Gebühren auf den Transportpreis aufgeschlagen werden mussten, ergaben sich unüberwindbare betriebswirtschaftliche Zwänge. So betrug beispielsweise der Fahrpreis für die beliebte Schnellpostkutschenverbindung („Journaliere“) zwischen Potsdam und Berlin über die Glienicker Brücke 16 Groschen; bei Anrechnung der Postzettel ergäbe sich für die Fuhrunternehmer ein Mindestpreis von 14 Groschen, „wobey sie nicht bestehen könnten“ oder sie müssten eben auch 16 Groschen verlangen, was der Markt jedoch nicht hergäbe. Diese Problematik einer sukzessiven Verteuerung war nicht nur den Anbietern, sondern auch der ärmeren Kundschaft bewusst. So „werde das Commercium zwischen Potsdam und Berlin sehr gehemmet, da täglich Fabricanten mit großen und kleinen Paqueten unterwegens wären, deren Armuth aber so groß sey, daß ihnen auch die etlichen (=zusätzlichen) Groschen incommodirten“.[46] Der Forderung der Fuhrleute nach einer Absenkung der Gebühren für die Postzettel oder nach einer Ausweitung der erlaubten wöchentlichen Transporttage wurde jedoch eine Absage erteilt. Das Grundproblem blieb somit bestehen: einerseits konnte der reguläre Postfuhrbetrieb den Bedarf des Marktes nach flexiblen und kostengünstigen Transportdienstleistungen nicht ausreichend bedienen, andererseits benötigte die Landespost aber ihre herausgehobene marktbeherrschende Stellung, um das aufwändige Netzwerk der Poststationen zu finanzieren. Immer wieder meldeten sich einzelne Städte oder Regionen, denen die Leistungen der Landespost nicht ausreichten und die deshalb forderten, stärker die privaten Spediteure einzubinden. So beschwerte sich auf Bitten des Magistrats von Kremmen der Kriegs- und Steuerrat von Lindenau bei der Regierung, dass es hier gar keine Post gebe und deshalb es niemandem zuzumuten sei, Postzettel für die gängige Verdingung der Fuhrleute zu lösen, „wodurch die Einwohner mancher kleinen Stadt bedrückt und die Kommunikation erschweret werden“.[47] In Treuenbrietzen berichtete der Magistrat in seinem Schreiben an den König von einem großen „Murren“ in der Bevölkerung, man sei nur eine Meile von der sächsischen Grenze entfernt und weigere sich, für diese letzte Meile noch Postzettel lösen zu müssen. Statt dessen habe man seit 1766 stets nur die hiesigen Privatfuhrleute in Anspruch genommen.[48] Ebenso unzufrieden mit der Transport- und Beförderungssituation zeigten sich die Uckermärkischen Kreisstände in Prenzlau. Dort hatte es sich eingebürgert, neben den eigenen Pferden und Wagen zusätzlich Mietpferde und Mietwagen zu nutzen, um auf diese Weise rascher größere Entfernungen bewältigen zu können und so letztlich eine Art Nebenpostsystem zu schaffen. Das Generalpostamt wertete diese Praxis als „Eingriffe in das landesherrliche Post Regal“, da „stationsweise zu fahren, einander die Fuhren zuzubringen, Abwechslungen zu machen“, das charakteristische Kennzeichen und Wesen der Post sei und derartige „Privat Posten“ demnach nicht geduldet werden könnten. Um der Kundschaft in der Uckermark die Dienste der Landespost schmackhaft zu machen, heißt es in dem Antwortschreiben: „Es ist natürlich, daß wenn Gutsbesitzer und andere Reisende mit ihren eigenen Pferden an einen Ort ankommen und dann einen Miethsfuhrmann nehmen, der sie bis zum BestimmungsOrte bringt, solches für einen dergleichen Abwechslung nicht zu achten ist. An Pferden wird es auf der Postroute nie fehlen und das neue, mit äußerster Genauigkeit gehandhabte ExtraPostfuhr-Reglement sichert das pünktliche und geschwindeste Fortkommen.“

Typisch für die Probleme ist in diesem Kontext auch die Petition der Potsdamer Fuhrleute Kallmann, Uttig und Schulze, die ersuchten, dass sie „Fremde, die sich 24 Stunden oder länger dort [in Potsdam] aufgehalten haben, auf deren Verlangen mit Lohnfuhren gegen Löhnung der vorgeschriebenen Postfuhrscheine weiter- oder zurückfahren können“; andernfalls rentierten sich ihre Betriebe nicht, „da in der Stadt selbst wenig mit Kutschen gefahren, die Baumaterialien größtenteils zu Wasser herangeschafft und die meisten Holtzfuhren ihnen durch die Holtzverwalter entzogen würden“. Auch die jährlichen Aufträge der Obrigkeit, zur Gestaltung der Manöver den Transport der Kanonen zu besorgen, helfe da nicht viel.[49] Die von der Kammer erbetene Stellungnahme des Generalpostamtes fiel entsprechend aus: Gerade die Kanonentransporte zu Manöverzeiten seien doch sehr lukrativ, da „gerade allsdann der Zufluß von Fremden mit Lohnfuhren dorthin, um Zuschauer abzugeben und die in der Nähe belegenen Königlichen Schlösser und Gärten zu besehen so groß“ sei. „Die Fuhrleute in Potsdam können bey der starken Verbreitung der Stadt mit der hiesigen Residenz bey der Menge der Fremden, die sich dort besehen, und bey den Reisen zur Leipziger Meße, wozu sie häufig gedungen werden, vollkommen bestehen“.[50]

Weitere beiderseitige Klagen und Beschwerden ließen sich anführen. Posthalter wurden beschuldigt, bestimmte Fuhrleute gegen eine finanzielle Gegenleistung zu protegieren (etwa indem die an der Poststation aushängende „besondere Rang=Liste“ der Fuhrleute manipuliert wurde), Spediteuren wurde unterstellt, heimlich ohne Postzettel sowohl Kunden in der Nähe der Poststation abzuwerben als auch ohne Genehmigung die Poststraßen zu benutzen und heimlich Pferde und Wagen zu wechseln. Ein großes Problem stellten auch Bewirtung und Übernachtung der Reisenden dar. Zwar befand sich für umsteigende Passagiere in der Poststation eine „Passagierstube“, die jedoch längst nicht immer in gutem Zustand war. Zudem war ein längerer Aufenthalt, etwa über Nacht, nicht ohne weiteres möglich. Reisende mussten also in einem nahegelegenen Gasthaus logieren. Ergab sich in solchen Fällen kein ökonomischer Vorteil für den Posthalter, war es nicht ungewöhnlich, dass „die zumahlen mit den Extra-Posten gehende und spät anlangende Passagiers, so auch von Condition sind, in denen Post-Häusern nicht aufgenommen, und oft nach denen schlechtesten Herbergen, wo sie aller Bewirtung ermangeln, verwiesen werden“.[51] Für clevere Fuhrleute boten sich vor diesem Hintergrund gewinnbringende Absprachen mit den örtlichen Gastwirten an (nicht selten war der Gastwirt auch im Transportgeschäft tätig).[52]

Diese grundsätzlichen Schwierigkeiten, die aus dem Nebeneinander differierender Transportökonomien resultierten, ließen sich auch nach Jahrzehnten ständigen Lavierens nicht aus der Welt schaffen. Stattdessen wurde je nach Tagesaktualität versucht, mit punktuellem Entgegenkommen, wortreichen Beschwichtigungen, begrenzten Zugeständnissen oder gezielter Tatenlosigkeit Konflikte zumindest einzuhegen. Mal wurden neue Postzettel mit rotem Vordruck verteilt, um die Fuhrleute mit weiteren Angaben zielgenauer überwachen zu können, mal wurde die Frist für den kostenfreien Rücktransport in bestimmten Städten von 24 auf 48 oder sogar 72 Stunden erweitert, mal wurde versucht, Personen- und Frachttransporte unterschiedlich zu bewerten und etwa Fahrten zur Messe gesondert zu berechnen, zurückkehrende Fahrten mit dort gekauften Waren hingegen jedoch nicht, mal wurde punktuell differenziert in „Lohnfuhren mit gestrandeten Schiffern, Militair Personen, armen Leuten, armen Juden“ bzw. in „Lohnfuhren mit Officieren in Königlichen oder Regiments-Angelegenheiten oder zur Revue reisen, mit Personen, die in Civil-Dienst reisen, zum Einkauf von Waaren, zum Wolleinkauf“.[53]

Da sich die Betroffenen jeweils an ihre vorgesetzten Obrigkeiten (Stadtmagistrat, Landstände) wandten und um Unterstützung baten, führten diese Konflikte nicht nur aufgrund der behördlichen Instanzenzüge, sondern auch infolge der polygonalen Patronatsbeziehungen auf Regierungsebene zu weiteren Verwicklungen. Es gelang dabei den Untertanen jeweils mit ihren Argumenten exakt jene Hebel zu bedienen, von denen sie sich eine bestimmte Reaktion erhofften.[54] Die Klagen der Fuhrunternehmer ließen die Kammer erhebliche ökonomische Schäden befürchten, „eine Hemmung des Commerciums“, während die Proteste der Posthalter und Postmeister im Generalpostamt den Eindruck erweckten, dass die Spediteure sich nicht an die Gesetze halten und deshalb die „Vernichtung des landesherrlichen Postregals“ drohe bzw. dieses „doch unleidlich beeinträchtigt“ werde: „Die Fuhrleute nehmen die besten und anständigen Fuhren für sich“, so dass „die Posthalter aber nur noch Nothbehelfer von jenen seyn würden“.[55]

6. Resümee

Die Gemengelage konträrer markt- und planwirtschaftlicher Grundelemente (nicht nur) im Speditionsgewerbe spiegelt in besonderer Weise die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Verhältnisse der Zeit wider.

So offenbart das ständisch-politische Herrschaftssystem mit seinen vielfältigen Patronatsbeziehungen und milieubedingten Netzwerken zwei bemerkenswerte Seiten. Einerseits gelingt es trotz aller Bemühungen der Zentrale kaum, durchgreifende und vom Einzelfall abstrahierte und landesweit sowie dauerhaft geltende Verordnungen zu erlassen, geschweige diese dann auch tatsächlich buchstabengetreu durchzusetzen. Andererseits wird stattdessen mit vielen lokal geltenden, personalisierten, zeitlich terminierten (Sonder-)Regelungen regiert, so dass sozusagen für jedes Einzelproblem eine Einzellösung angeboten werden konnte, mit der Folge, dass das Regierungshandeln ein bemerkenswert hohes Maß an Flexibilität aufwies. Freilich geschah dies nicht selten um den Preis, dass das Patronatssystem mit seinen (berufs-)ständischen Verbindungen stets die Konflikte vor Ort in die Regierung trug; zwar konnte der Landesherr dann schlichten und als Schiedsrichter auftreten, es begünstigte aber die Verwerfungen in den verschiedenen Amtsstuben und evozierte wiederum diese flexiblen Einzelverordnungen. Genau diese Situation ist am Beispiel des Post- und Transportgewerbes deutlich erkennbar; für die damaligen Akteure war es offenbar nicht wirklich ein Problem, mit administrativen Widersprüchen zu leben bzw. auf die eine oder andere Weise mittels Aushandlungen eine für sie bessere Lösung zu erzielen.

Die Forschung hat diese Sicht auf ein eher heterogenes, in Widersprüchen befindliches Machtgebilde, das auf Kommunikation und Aushandlung mit seinen Untertanen massiv angewiesen ist, sehr lange nicht zulassen wollen und können. Die Gründe für dieses Versäumnis liegen zum einen am starr ausgerichteten normativen Blick auf die Gesetze und Verordnungen sowie die geschickt angelegten prächtigen Herrschaftsinzenierungen jener Zeit, die unreflektiert betrachtet und allzu gerne für bare Münzen genommen wurden. Insbesondere der auch touristisch sehr gut vermarktbare Preußenmythos mit seinen Schlössern und Anekdoten über die bekannteren Herrscher der Hohenzollerndynastie half dabei, den Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse kräftig zu verschleiern. Zum anderen hat die aus dem 19. Jahrhundert stammende, bis in die 1970er Jahre hinein reichende staatsnahe Historiographie mit ihrem demonstrativ national ausgerichteten Geschichtsverständnis und ihrem Blick auf vermeintlich „große“ Männer die Grenzen und Widersprüche von Herrschaft ganz gezielt ignoriert.[56] Erst seit wenigen Jahrzehnten ist hier ein nachhaltiges Umdenken eingetreten, die ideologischen Ursprüngen des 19. Jahrhunderts mit ihren Konzepten von „Staat“ und „Absolutismus“ offen gelegt und derartigen Sichtweisen nachhaltig eine Absage erteilt worden.[57] Gleichwohl tut sich die in dem Windschatten der alten Vorstellungen befindliche historische Gewerbeforschung nach wie vor schwer damit, dieses Nebeneinander erlaubter zünftiger Gewerbetätigkeit auf der einen und eigentlich verbotener, letztlich aber immanent geduldeter Erwerbsaktivitäten außerhalb der Privilegienlogik auf der anderen Seite als dauerhaftes Charakteristikum anzuerkennen. Stattdessen wurden lediglich bestimmte separat auftretende Konkurrenten der Zünfte benannt, vor allem das Landhandwerk als Gegenpol zu den städtischen Gewerben.[58] Dabei gibt es nicht nur in der Speditions- und Personenbeförderungsbranche ausreichend Indikatoren, die nahe legen, dass Schwarzarbeiter und „Pfuscher“ regelhaft zum Alltag der frühneuzeitlichen Wirtschaft gehören.[59] Diese Hinweise finden sich freilich zumeist auf lokaler Ebene, zu finden in den jeweiligen Stadtarchiven, vor allem aber eben nicht in offiziellen Verlautbarungen und normativen Vorgaben, da beide Seiten (Anbieter und Kunde bzw. die behördlichen Kontrahenten untereinander) wenig Interesse hatten, die jeweiligen halblegalen Abmachungen allzu publik werden zu lassen. Dieses „durch die Finger sehen“, dieses erstaunlich flexible Nebeneinander unterschiedlicher Erwerbslogiken scheint Lebenswelt und Alltag der Menschen viel stärker bestimmt zu haben als viele Forschende vermutet haben.

Kommen wir zum Schluss noch einmal auf den eingangs erwähnten Beförderungsstreit unserer Zeit zurück. Auch wenn wir die offensichtlichen, radikal differierenden technischen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen zwischen 1766 und 2020 in vollem Umfang berücksichtigen, ist es faszinierend und verblüffend zugleich, wie trotz dieser doch so unterschiedlichen Welten des 18. und des 21. Jahrhunderts erstaunlich vielfältige Ähnlichkeiten in Bezug auf menschliche Interessenlagen und Verwaltungshandeln hervorstechen. Wenn wir lernen, vergangene Zeiten nicht als buntes abgeschlossenes museales Kaleidoskop zu betrachten, sondern vielmehr als Spiegelbild unserer Gegenwart, lassen sich die Zeiten überdauernden Grundprobleme menschlichen Daseins und die grundsätzlichen Konfliktlagen von heute weitaus präziser erfassen – freilich unter der Voraussetzung, dass wir in der Lage sind, im Vorfeld die notwendigen Transfer- und Übersetzungsleistungen zu erbringen, um eine Vergleichsperspektive herstellen zu können.


[1] Vgl. hierzu etwa https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2020/02/berlin-streik-taxifahrer-schoenefeld-rueckkehrpflicht-flughafen.html. Weitere Beispiele: https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/09/flughafen-ber-taxi-berlin-dahme-spreewald-streit.html; oder https://www.tagesspiegel.de/berlin/wer-befoerdert-fluggaeste-einigung-im-taxi-streit-am-ber/26192304.html; oder https://www.berliner-zeitung.de/news/berliner-und-brandenburger-taxis-werden-am-ber-zugelassen-li.106781. Letzter Zugriff jeweils am 23.3.2021.

[2] Die ursprüngliche Fassung stammt aus dem Jahre 1961. Vgl. die aktuelle Version unter http://www.gesetze-im-internet.de/pbefg/ (letzter Zugriff am 8.3.2021).

[3] So umreißt der Herausgeber der vielbändigen Propyläen-Technikgeschichte (5 Bände, Berlin 1990-1992), Wolfgang König, die Aufgabenstellung seines Fachs wie folgt: „Beschreibung und Erklärung der Funktionsweise historischer Technik, Entstehung und Verwendung technischer Neuerungen, Bedingungen und Folgen von Innovationen – und all dies eingebunden in die Totalität eines raumzeitlichen Beziehungsgeflechts wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Faktoren“, vgl. Bd. 1. Berlin 1990. (Landbau und Handwerk. 750 v. C. bis 1000 n. C., S. 11-16, hier S. 16.

[4] Vgl. etwa Friedrich-Wilhelm Henning: Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands. Bd. 1: Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Paderborn 1991; Hans Pohl (Hrsg.): Die Auswirkungen von Zöllen und anderen Handelshemmnissen auf Wirtschaft und Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart 1987; oder Hans Pohl (Hrsg.): Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft. Stuttgart 1989; sowie Peter Johanek/Heinz Stoob (Hrsg.): Europäische Messen und Märktesysteme in Mittelalter und Neuzeit. Köln 1996.

[5] Ein Beleg dafür sind zum Beispiel die vielen Zeitschriftenprojekte: u.a. Archiv für deutsche Postgeschichte (seit 1953), Postgeschichte (seit 1980), Archiv für Post und Fernmeldewesen (seit 1949), Monatsblätter für Post und Telegraphie (seit 1900) bzw. die Pfälzische oder die Hessische Postgeschichte (seit 1953/56).

[6] Vgl. hier nur Wolfgang Behringer: Thurn und Taxis. Die Geschichte ihrer Post und ihrer Unternehmen. München 1990; sowie ders.: Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit. Göttingen 2003.

[7] Vgl. hier etwa Hermann Bausinger/Klaus Beyrer/Gottfried Korff (Hrsg.), Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus. München 1991; oder Wolfgang Griep (Hrsg.), Sehen und Beschreiben. Europäisches Reisen im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Heide 1991; sowie ders./Hans-Wolf Jäger (Hrsg.), Reisen im 18. Jahrhundert, Neue Untersuchungen. Heidelberg 1986.

[8] Der Apodemikforscher Justin Stagl versteht darunter Kunstlehren des richtigen Reisens im eigentlichen Sinn, Praktische Reisebehelfe im engeren Sinne sowie Ergebnisliteratur, also Reiseberichte: Justin Stagl: Apodemiken. Eine räsonierte Bibliographie der reisetheoretischen Literatur des 16., 17. und 18. Jahrhunderts. Paderborn 1983; sowie ders.: Geschichte der Neugier. Reisekunst 1550 bis 1800. Wien 2001.

[9] Apodemiken (aus dem Griechischen: auf Reise sein, verreisen): die rechte Kunst des Reisens, praktische Tipps und nützliche Hinweise für den Reisenden. Der Begriff wurde Ende des 16. Jahrhunderts als Schöpfung des graecisierenden Humanismus geprägt.

[10] Einige Beispiele: „Frauenzimmer-Kalender: Curieuser und immer währender Astronomisch-Meteorologisch-Oeconomischer-Frauen-Zimmer-Reise- und Hand-Kalender“ (1737); 1557 legte Georg Pictorius sein „Raiss Büchlein, Ordnung wie sich zu halten, so einer raisen will in weite und ohnerfarne Land, und wie man allen Zufällen, so dem Raisenden zustehn mögen, mit guten Mitteln der Artzney begegnen soll“; „Lustige und fürwitzige Raiß-Gespräche, allerhand Merck- und denckwürdigster Raritäten und Curiositäten der ober- und untern, sichtbar- und unsichtbaren Welt-Kraysung“ (1686). Am Ende der Apodemikbewegung befindet sich Franz Possel: „Apodemik oder die Kunst zu Reisen“ (1795).

[11] Vgl. dazu etwa Petra Krempin: Geschichte des Reisens und des Tourismus. Ein Überblick von den Anfängen bis zur Gegenwart. Limburgerhof 2000; oder Attilio Brilli: Als Reisen eine Kunst war. Vom Beginn des modernen Tourismus. Die „Grand Tour“. Berlin 1997. Es finden sich auch Aufsätze mit Bezug auf die Frühe Neuzeit in der erst in der Mitte der 1990er Jahre gegründeten Zeitschrift Tourismus Journal. Vgl. etwa den Aufsatz von Holger Th. Gräf/Ralf Pröve: Von der ständischen Unterkunft zur privaten Pension. Aspekte einer Professionalisierung in der Frühen Neuzeit, in: Tourismus Journal. Zeitschrift für tourismuswissenschaftliche Forschung und Praxis 3 (1999), S. 87-100.

[12] Als Meilenstein gilt Andreas Gestrich: Absolutismus und Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Göttingen 1994, der das Repertoire mündlicher und schriftlicher Medien eindrücklich erweitert und Gerüchten, Zeitungssinger, Volkslieder, Volkstheater, obrigkeitliche Information, Predigten und Gebete oder höfisches Zeremoniell neben periodische Tagespresse, geschriebene Zeitungen, Zeitschriften, Manifeste und politische Flugschriften gestellt hat.

[13] Vgl. etwa Werner Greiling: Presse und Öffentlichkeit in Thüringen. Mediale Verdichtung und kommunikative Vernetzung im 18. und 19. Jahrhundert. Köln 2003; oder Hans-Wolf Jäger (Hrsg.): „Öffentlichkeit“ im 18. Jahrhundert. Göttingen 1997.

[14] Vgl. etwa Thomas Fuchs/Sven Trakulhun (Hrsg.): Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen. Kulturtransfer in Europa 1500-1850. Berlin 2003; oder Michael Gassert: Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute. Stadt, Region und Fernhandel in der europäischen Geschichte. Eine wirtschaftshistorische Untersuchung der Beziehungen zwischen wirtschaftlichen Vorgängen und kulturellen Entwicklungen anhand von Karten, 12.-16. Jahrhundert. Frankfurt/Main 2001. Zur Migrationsgeschichte vgl. Harald Kleinschmidt: Menschen in Bewegung. Inhalte und Ziele der historischen Migrationsforschung. Göttingen 2001.

[15] Einblicke bieten Holger Th. Gräf/Ralf Pröve: Wege ins Ungewisse. Eine Kulturgeschichte des Reisens, 1500-1800. Frankfurt/Main 2014; Peter Moraw (Hrsg.): Unterwegssein im Spätmittelalter. Berlin 1985; oder Norbert Ohler: Reisen im Mittelalter. Düsseldorf 1999. Mit Fokus auf eine Region Annette Hennigs: Gesellschaft und Mobilität. Unterwegs in der Grafschaft Lippe 1680 bis 1820. Bielefeld 2002.

[16] Vgl. etwa Uwe Danker: Räuberbanden im Alten Reich, 2 Bde. Ein Beitrag zur Geschichte von Herrschaft und Kriminalität in der Frühen Neuzeit. Frankfurt/Main 1988; Gabriele Emrich: Die Emigration der Salzburger Protestanten 1731-1732. Reichsrechtliche und konfessionspolitische Aspekte. Münster 2003; Carsten Küther: Menschen auf der Straße. Vagierende Unterschichten in Bayern, Franken und Schwaben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Göttingen 1983; oder Ernst Schubert: Fahrendes Volk im Mittelalter. Bielefeld 1995.

[17] Vgl. etwa Rainer Babel/Werner Paravicini (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert. Ostfildern 2004; Thomas Freller: Adlige auf Tour. Die Erfindung der Bildungsreise. Stuttgart 2007; Klaus J. Bade: Altes Handwerk, Wanderzwang und Gute Policey: Gesellenwanderung zwischen Zunftökonomie und Gewerbereform, in: Vierteljahresschrift zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 69 (1982), S. 1-37; Jeremy Black:The British Abroad. The Grand Tour in the Eighteenth Century. New York 1992; Josef Ehmer (Hrsg.): Vor- und frühindustrielle Arbeitsmigration. Massenmigrationen in Zentraleuropa im 18. und 19. Jahrhundert. Bielefeld 2003; Rainer S. Elkar: Die Walz. Gesellenwanderungen in neuerer Zeit. Stuttgart 2000; Klaus Herbers (Hrsg.): Der Jakobsweg. Deutsche Jakobuspilger und ihre Berichte. Tübingen 1988; Michael Matheus (Hrsg.): Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit. Stuttgart 1999, ders. (Hrsg.): Badeorte und Bäderreisen in Antike, Mittelalter und Neuzeit. Stuttgart 2001; sowie Ralf Pröve: Unterwegs auf Kosten der Kriegskasse. Formen des sozialen Kulturtransfers im Europa des 18. Jahrhunderts, in: Fuchs/Trakulhun: Das eine Europa (wie Anm. 14), S. 339-351; und ders.: „Schlachtenbummler“ im 18. Jahrhundert. Typologische Wahrnehmungsmuster von Militär und Krieg in Reise-Selbstzeugnissen, in: Helmut Peitsch (Hrsg.): Reisen um 1800. München 2012, S. 93-105.

[18] Einige Beispiele: Brian Dolan: Ladies of the Grand Tour. London 2001; Sabine Kienitz: Unterwegs – Frauen zwischen Not und Norm. Lebensweise und Mentalität vagierender Frauen um 1800 in Württemberg. Tübingen 1989; Marita Krauss/Holger Sonnabend (Hrsg.): Frauen und Migration, Stuttgart 2001; Annegret Pelz: „Ob und wie Frauenzimmer reisen sollen?“ Das reisende Frauenzimmer als Entdeckung des 18. Jahrhunderts. Oldenburg 1993.

[19] Vgl. Gräf/Pröve (wie Anm. 15): Wege ins Ungewisse, bes. S. 47-75.

[20] In Brandenburg wurde 1652 ein erster Generalpostmeister berufen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts fungierte die Landespost als fast selbstständige Zentralbehörde und war mit dem Generaldirektorium durch Personalunion verbunden. 1808 bzw. 1810 wurde die Post dem Innenministerium und 1848 dem Ministerium für Handel und Gewerbe unterstellt. Vgl. Wilhelm Heinrich Matthias: Darstellung des Postwesens in den kgl. Preußischen Staaten. 3 Bände. Berlin 1812, 1817; sowie Heinrich von Stephan: Geschichte der preußischen Post, Berlin 1859. Zu empfehlen ist zudem Martin Dallmeier (Hrsg.): Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens 1501-1806. 3 Bände. Kallmünz 1978-1987.

[21] Immer noch brauchbar: Alfred Birk: Die Straße. Karlsbad 1934 (ND Aalen 1971); oder Ernst Gassner: Zum deutschen Straßenwesen von den ältesten Zeiten bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Leipzig 1889; Straßenbau beschreiben zudem Annette Hennigs: Vom Hohlweg zum Chausseebau. Der lippische Straßen- und Wegebau von 1750-1820, in: Neithard Bulst (Hrsg.): Die Grafschaft Lippe im 18. Jahrhundert. Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft eines deutschen Kleinstaates. Bielefeld 1993, S. 199-220; oder Bernd Wunder: Der Chausseebau in Württemberg während des 18. Jahrhunderts. Infrastrukturpolitik zwischen Regierung, Landschaft und Schwäbischem Reichskreis, in: Aus südwestdeutscher Geschichte. Stuttgart 1994, S. 526-538.

[22] Vgl. etwa William Albert: The Turnpike Road System in England, 1663-1840. Cambridge 1972; oder Edward Pawson: The Turnpike Trusts of the Eighteenth Century. A Study of Innovation and Diffusion. Oxford 1975; oder zum ‘Kanal des Südens’: Jean-Denis Bergasse. Le Canal du Midi. 4 Bände. Bergasse 1982–1985.

[23] Die Probleme vor Ort beleuchtet etwa Ralf Pröve, Straßenbaupolitik und Kommunikationsverdichtung in der Kurmark. Zentrum und Region im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Lorenz Friedrich Beck/Frank Göse (Hrsg.): Brandenburg und seine Landschaften. Zentrum und Region vom Spätmittelalter bis 1800. Berlin 2009, S. 191-198.

[24] Zwar wurde zu Beginn der 1750er Jahre intensiv über den Bau von Chausseen in Brandenburg-Preußen nachgedacht, jedoch befürchtete Friedrich II., dass feindliches Militär dann schneller die Hauptstadt erreichen könnte. Tatsächlich gehe ich hier eher von einem modernisierungsfeindlichen Ressentiment aus. Vgl. Memoire wegen der in der Kur-Marck anzulegenden Wegebesserungs Anstalten und Verwandlung der Haupt Landstraßen in Chausseen, in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (künftig GStA PK), II. HA Rep. 14 Kurmark CCVII Generalia Nr. 1, f. 47-60. Zum (späteren) preußischen Chausseebau vgl. etwa Karl Zimmermann: Die Straßenbaupolitik Preußens und seiner Nachbarn westlich der Elbe bis zum Zollverein 1815-1835, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 2 (1932), S. 177-195; Berthold Schulze: Das preußische General-Chausseebau-Departement, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 47 (1935), S. 154-161; Fritz Sälter: Entwicklung und Bedeutung des Chaussee- und Wegebaues in der Provinz Westfalen unter ihrem ersten Oberpräsidenten Ludwig Freiherr von Vincke 1815-1844. Witten 1917; oder Uwe Müller: Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung. Der Chausseebau in der preußischen Provinz Sachsen und dem Herzogtum Braunschweig vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Berlin 2000; sowie Friedrich-Wilhelm Henning: Die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur in Brandenburg-Preußen als Teil der Staatsbaukunst von 1648 bis 1850, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte N.F. 7 (1997), S. 211-232.

[25] Viele Informationen zur dieser Thematik finden sich bei Wilhelm Treue: Achse, Rad und Wagen. Fünftausend Jahre Kultur- und Technikgeschichte. München 1965; ders. (Hrsg.): Achse, Rad und Wagen. Göttingen 1988; sowie Klaus Beyrer (Hrsg.): Zeit der Postkutschen. Drei Jahrhunderte Reisen 1600-1900. Karlsruhe 1992. Eine wahre Fundgrube ist Johann Christian Ginzrot: Die Wagen und Fahrwerke der verschiedenen Völker des Mittelalters und der Kutschen-Bau neuester Zeiten nebst der Bespannung, Zäumung und Verzierung ihrer Zug-, Reit- und Last-Thiere. 4 Bände. München 1830 (ND Hildesheim 1979).

[26] Vgl. dazu Statistisches Jahrbuch der Stadt Berlin. Berlin 1920, S. 3-4; und Statistisches Jahrbuch 1999, hrsg. vom Statistischen Landesamt Berlin, S. 25-28.

[27] GStA PK, II. HA Rep 14 Kurmark, CCLIV Post-Sachen, Nr. 6; Designatio vom 5.9.1768 (Berlin) sowie vom 24.9.1768 (Potsdam).

[28] Der gesamte Text ist zu finden in: Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium Marchicarum, Bd.4 [1766-1779]. Berlin 1771, Sp. 285-294.

[29] Durch einen glücklichen Zufall sind wir über den Inhalt eines solchen behördlichen Pakets informiert. So ging das Konvolut mit Berichten und Akten des Oberforstmeisters von Kropff an die Regierung auf der Post von Storkow nach Berlin im Jahre 1795 verloren. Dieses enthielt einen Bericht des Colberg wegen Nutzholz beim Amt Sachsendorf, den Bericht des Seidel wegen Aufbau der abgebrannten Friedrichsfelder Vorwerksgebäude, der jährliche Jagdbericht des Rates zu Beelitz, Rechnungen über die Stubbenholzgelder, einen Bericht wegen Liebenberg im Amt Rüdersdorf sowie fünf weitere Schriftstücke. Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam (künftig BLHA), Rep. 2 Nr. A 382.

[30] GStA PK, HA I, Rep. 103, Nr. 1010; Meldungen vom 24.9.1756 und 2.10.1756. Auch Printmedien unbeteiligter Drittländer wurden argwöhnisch vorab auf solche „Fake News“ überprüft und etwa dem Hamburgischen Correspondent „Partheylichkeiten“ unterstellt, da dieser Artikel aus Potsdamer Feder gekürzt und „nach Belieben verstümmelt hat“. Ebd., Schreiben vom 27.10.1758.

[31] Vielen Vorschlägen für neue Postrouten wurde, wenn das Verkehrsaufkommen als zu gering angesehen wurde, auch eine Absage erteilt, so etwa im Jahre 1770 dem Antrag des Kriegs- und Steuerrats Weyde in Stendal, von dort bis Berlin eine reitende Post anzulegen („daß nicht wohl abzusehen ist, wie sich dergleichen neue Post interessiren sollte, da die Correspondenz nach und von Stendal nicht beträchtlich ist“). BLHA, Rep. 2, Nr. S 2141.

[32] GStA PK, HA I Rep. 103, Nr. 635, Einlassung vom 1.10.1748. Diese gewünschte Freundlichkeit und Umgänglichkeit wurde allerdings auch von der Post-Kundschaft verlangt. So solle es „auch keinem erlaubt seyn, einen Postillion zu schlagen oder zu peitschen, oder die angespannte Pferde durch Domestiquen peitschen zu lassen, und überhaupt keine Gewalthätigkeit auszuüben“.

[33] GStA PK, HA I Rep. 103, Nr. 635, Schreiben vom 26.10.1717.

[34] Laut einer Aufstellung von 24 Potsdamer Fuhrunternehmern im Jahre 1768 gaben 13 an, keine weiteren Einkünfte zu generieren, drei waren im Hauptberuf Gastwirte; dazu gab es drei Bäcker, zwei Brauer, ein Büchsenmacher und ein Kaufmann. Schließlich kam mit der Witwe eines Landesbediensteten („Commisarii“) eine Unternehmerin hinzu. GStA PK, II. HA Rep 14 Kurmark, CCLIV Post-Sachen, Nr. 6; Designatio vom 24.9.1768.

[35] Grundsätzlich immer noch interessant und materialreich: Ossip Demetrius Potthoff/Georg Kossenhaschen: Kulturgeschichte der deutschen Gaststätte. Berlin 1932. Konkret zu Brandenburger Passagierstuben Ralf Pröve: Der Postmeister im Schlafrock. Strukturdefizite des Reiseverkehrs im frühen 19. Jahrhundert: das Beispiel Angermünde, in: Mitteilungen des Uckermärkischen Geschichtsvereins zu Prenzlau 11 (2003), S. 38-51.

[36] Für die normale Linienpost waren drei Pferde anzuspannen, bei einer Zuladung zwischen 13-16 Zentnern durfte ein viertes, bei mehr als 16 Zentnern ein fünftes Pferd eingesetzt werden. War noch mehr zu transportieren, so durfte ein Neben- bzw. Beiwagen mit weiteren Pferden eingesetzt werden.

[37] Wie Popplow berechnet hat, konnten die hohen Pferdefutterausgaben bis zu 75 Prozent der Transportkosten umfassen. Vgl. Marcus Popplow, Verkehr und Transport zu Lande, in: Friedrich Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 14. Stuttgart 2011, Sp. 114-128, hier Sp. 117.

[38] Immer wieder finden sich in den Akten Berechnungen über die benötigte Anzahl von Pferden für die Kavallerie, aber eben auch von Pferden für den Transport von Artillerie und Nachschub. Dabei werden penibel die Zahlenangaben der Fohlen oder der Ernteerträge von Pferdefutter erfasst. Vgl. etwa GStA PK, HA II, Rep. 14 Kurmark, CCVII Brücken und Wege. Generalia Nr. 1, f. 47-60 Pro Memoria aus dem Jahre 1755.

[39] So verwundert es nicht, dass vor allem im 18. Jahrhundert eine immense hippologische Literatur publiziert worden ist. Vgl. dazu etwa Stefanie Stockhorst: Ars Equitandi. Eine Kulturgeschichte der Reitlehre in der Frühen Neuzeit. Hannover 2020; oder Mustafa Haikal: Von Schönheit und den Leiden der Pferde. Darmstadt 2020.

[40] Der gesamte Text ist zu finden in: Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium Marchicarum, Bd.4 [1766-1779]. Berlin 1771, Sp. 279-284.

[41] Hierzu zählten zum Beispiel die „extraordinairen oder Cabinets-Couriers, welche von Uns, Unsern Ministern, General-Post-Meister und dem Intendanten Unserer Posten geschicket werden“.

[42] Zudem sollten Extraposten an den Stadttoren bevorzugt und rasch der Durchgang gewährt werden, „sobald der Postillion ins Horn gestossen“. Somit kommt dem Blasen des Posthorns die Funktion eines heutigen Martinhorns zu. Vgl. hierzu auch Beyrer, der auf das Vorfahrtsrecht für die Landespost verweist: Klaus Beyrer: Verkehrsregeln, in: Jäger: Enzyklopädie (wie Anm. 37). Bd. 14. Sp. 142-144.

[43] Der gesamt Text ist zu finden in: Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium Marchicarum, Bd.4 [1766-1779], Berlin 1771, Sp. 515-518.

[44] Sollte die Personenbeförderung innerhalb von 24 Stunden „retour“ gehen, musste kein weiterer Postzettel gelöst werden.

[45] Damit ist gemeint, dass sich Anschluss- und Verteilerverbindungen auf der Strecke mit dem Ziel der Organisierung des systematischen Weitertransports bilden könnten, so dass vor allem der direkte Weg zum Endkunden geebnet werde.

[46] GStA PK, II. HA Rep. 14 Kurmark, CCLIV Post-Sachen, Nr. 6. Schreiben der Fuhrleute vom 2.7.1768, Antworten der Kammer vom 17.8.1768 und vom 4.11.1768.

[47] GStA PK, II. HA Rep. 14 Kurmark, CCLIV Post-Sachen, Nr. 6. Schreiben vom 26.10.1795.

[48] Ebd. Schreiben vom 12.9.1803.

[49] Ebd. Schreiben vom 19.12.1799.

[50] Ebd. Schreiben vom 4.4.1800.

[51] GStA PK, I. HA Rep. 103 Nr. 635. Schreiben des Generalpostamtes vom 18.4.1754. Nicht selten scheiterten Posthalter auch wirtschaftlich, so bemerkte das Generalpostamt in einem Schreiben am 4.4.1800 (GStA PK, II. HA Rep. 14 Kurmark, CCLIV Post-Sachen, Nr. 6), dass „der vorige Entreprenneur [= Unternehmer] des Postfuhrwesens in Potsdam nicht bestehen konnte, sondern der zeitige engagirt werden mußte“.

[52] So beklagte sich das Generalpostamt, dass viele Reisende aufgrund ihrer „fühlbaren Abneigung“ gegenüber der Post lieber „Lohnfuhrwerke“ nehmen und dann in bequemen Gasthäusern nächtigen würden. Ebd. Schreiben vom 27.1.1810.

[53] GStA PK, II. HA Rep. 14 Kurmark, CCLIV Post-Sachen, Nr. 6. Im einzelnen Schreiben der Kammer vom 11.10.1768 und vom 29.6.1784, Schreiben des Generalpostamts vom 4.4.1800, Bekanntmachung vom 24.12.1802.

[54] Welche Ausmaße derartige Konflikte annehmen konnten, beleuchtet anhand eines Beispiels aus Kurhannover Ralf Pröve: Systemische Herrschaftskonkurrenz durch militärrechtliche Instanzenzüge und parallele Patronatsbeziehungen. Probleme im Verwaltungshandeln des 18. Jahrhunderts, in: Jutta Nowosadtko/Diethelm Klippel/Kai Lohsträter (Hrsg.): Militär und Recht vom 16. bis 19. Jahrhundert. Gelehrter Diskurs, Praxis, Transformationen. Göttingen 2016, S. 251-267.

[55] GStA PK, II. HA Rep. 14 Kurmark, CCLIV Post-Sachen, Nr. 6. Beschwerde des Generalpostamts vom 4.4.1800.

[56] Vgl. hierzu auch Ralf Pröve: Geschichtskunde vs. Geschichtswissenschaft, Vielfalt statt Einfalt: Ein Appell für sozialkonstruktivistisches Forschen und selbstreflektiertes Lehren, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 68 (2020), S. 393-416.

[57] Begriffe wie „Staat“ oder „Absolutismus“ sollte man tunlichst vermeiden, um nicht ohne eigenes Wollen die Ideen- und Gedankenwelt des im Nationalstaatsgedanken verhafteten 19. Jahrhunderts (aber auch der Gedankenwelt früherer Historikergenerationen) zu replizieren und folglich diese ideologisch motivierten Grundbegriffe ungefragt auf frühere Epochen und Generationen zu übertragen. Vgl. dazu Markus Meumann/Ralf Pröve: Die Faszination des Staates und die historische Praxis. Zur Beschreibung von Herrschaftsbeziehungen jenseits teleologischer und dualistischer Begriffsbildungen, in: dies. (Hrsg.): Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Umrisse eines dynamisch-kommunikativen Prozesses, Münster 2004, S. 11-49.

[58] So etwa Wilfried Reininghaus, der lediglich das Landhandwerk benennt, vgl. ders.: Gewerbe in der Frühen Neuzeit. München 1990, bes. S. 68-71. Dieser Befund hat sich bis heute nicht wirklich verändert, so findet sich auch kein entsprechender Verweis in Jäger: Enzyklopädie (wie Anm. 37), (Art.: Gewerbe, Sp. 812-831; oder Art.: Gewerbepolitik, Sp. 836-845, jeweils Band 4 2006). Vgl. etwa auch Oliver Volkart: Die Wirtschaftsordnung der Ständegesellschaft, in: Scripta Mercaturae 2 (1998), S. 44-84.

[59] Vgl. dazu etwa Ralf Pröve: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen und seine Militärbevölkerung 1713-1756. München 1995, bes. S. 252-265.